Am frühen Morgen verlasse ich Beelitz und freue mich als Stadtkind über die Störche, die ich überall entdecke.

Die Bedeutung des imposanten Vogels nachgeschlagen, stosse ich auf „Er verkörpert auch das Symbol des Reisens, des Weiterziehens und Loslassen des Alten, sowie das immer wieder Aufbrechen zu neuen Ufern.“ Na kein Wunder, dass ich mich so zu den Störchen hingezogen fühle.

Ich durchwandere kleine Ortschaften, die still in der Sonne liegen und fast wie schlafend wirken. Was sie wohl zum Leben wecken mag? Meine Füße jammern ein wenig ob des vielen Kopfsteinpflasters und auch ich schüttle mittlerweile den Kopf über die vielen Biegungen rechts und links der B2, die die Via Imperii und damit der Jakobsweg hier gemacht haben sollen. Und nachdem mich der Wanderführer wieder einen richtig großen Bogen schlagen lassen will, meutere ich und biege in den Wald ab. Die grobe Richtung ist klar, der Rest wird sich finden. Schnell gibt es keine Wege mehr, dafür auch hier die kerzengeraden Fichten, die mir viel Platz machen.

Kleine Mücken begleiten mich, dünnen Spinnenfäden streifen mich am Arm. Ich genieße die Stille des Waldes und gleichzeitig blitzen auch Gedanken auf, wieviel Autonomie und Selbstbestimmtheit tatsächlich gut für mich ist. Ich wünsche mir beim Universum für meine Rast eine Bank auf einer Lichtung, doch bleibe ungehört. Das grüne saftige Moos zieht mich magisch an und ich überlege, wie weich es sich wohl darauf sitzen läßt. Schnell ziehe ich mein Handtuch aus dem Rucksack, breite es aus, lasse mich nieder … und verstehe, warum das Moos so grün und saftig aussieht. Denn natürlich ist es voll Wasser gezogen und meine Rückseite nun klitschnass. Ich lache einmal mehr herzlich über mich selbst und genieße trotzdem den meditativen Moment an diesem Ort.

Der Weg durch den Wald, obwohl sehr idyllisch, zieht sich. Tatsächlich treffe ich dann wieder auf das Muschelsymbol. dem ich folge ohne darüber nachzudenken, wo sich denn meine Unterkunft heute befindet. Und tatsächlich ist die Pension „Bertha“ etwas ausserhalb von Treuenbrietzen, meinem heutigen Tagesziel, und liegt schon hinter mir… Doch alle Strapazen sind vergessen, als ich In der Berliner Siedlung auf meinen Pensionswirt treffe.

Herzlich begrüßt er mich und zeigt mir mein Domizil – der Schäferwagen „Anna“ wartet schon auf mich. Drei Wagen stehen nebeneinander – Rainer Höhne, der Inhaber – nennt sie liebevoll sein „Sommercamp“ und berichtet voller Stolz von der Jakobusgesellschaft aus Berlin, die erst in der letzten Woche hier genächtigt haben und von dem Spaß, den die Jakobusgesellschaft aus dem Saarland hier hatte.

Ich beziehe meinen kleinen Wagen und freue mich über flauschige Handtücher und den Fön, den ich in der separaten Dusche vorfinde. Bald schon bin ich wieder fit und nehme das Angebot an, mich mit dem „Sabinchen-Express“ ins zwei Kilometer entfernte Treuenbrietzen fahren zu lassen. Wir steigen in seinen Kleinbus und Herr Höhne erzählt mir, wie er auf die Idee mit den Schäferwagen gekommen ist, dass diese in einer Chemnitzer Firma nach seinen Vorstellungen gebaut werden und dass er gerade überlegt, einen kleineren Wagen bauen zu lassen, mit dem er auf der Grünen Woche in Berlin am Stand von Treuenbrietzen werben kann

Auch die Stadtgeschichte kommt in seinen Erzählungen nicht zu kurz – denn hier in Treuenbrietzen dreht sich alles um „Sabinchen“ eine junge Dienstmagd, die sich mit einem Schuster einließ, der aus Treuenbritzen kam …
Dieser Volkslied von 1849 hat den Ort weithin als „Sabinchenstadt“ bekanntgemacht und tatsächlich finden hier jeden Juni die „Sabinchenfestspiele“ statt – Geschichte zum anfassen.


Die Geschichte, warum Treuenbrietzen die Stadt ohne Männer war, verspricht er mir zum Frühstück und ich klettere aus seinem Bus.

Der Stadtkern ist wirklich klein, doch die Fachwerkhäuser haben ihren ganz besonderen Reiz und so schlendere ich die „Breite Straße“ – fast so breit wie der Ku’damm habe ich noch gelernt – hoch und wieder runter.


Beim Griechen gibt es dann die wirklich wohlverdiente Stärkung und dann wandere ich auch schon zurück. Für heute Nacht gibt es eine Tornado-Warnung. Ich stelle mir vor, wie der Wirbelsturm meinen kleinen Wagen erfaßt und ich ganz wie damals Alice im „Zauberer der Smaragdenstadt“ durch die Lüfte getragen werde. Mit der Magie der Fantasie schlafe ich selig ein – kein Tornado und auch kein Gewitter werden meinen Schlaf stören …