Früh am Morgen nehme ich meinen Mietwagen in Empfang. Auf der Suche nach Kraft- und Energieplätzen zieht es mich an das Cape Reinga, einem der wichtigsten spirituellen Orte der Maoris und so habe ich beschlossen, in den nächsten Tagen dem Twin Coast Discovery Highway zu folgen.

Dieser führt mich hinaus aus der Stadt und während ich über die Harbour Bridge fahre, leiste ich heimlich Abbitte. Von nahen betrachtet ist auch sie sehr bemerkenswert. Ich werfe einen Blick in den Rückspiegel und bewundere die in der Sonne glänzende Skyline Aucklands. Fast schäme ich mich ein bisschen dafür, dass ich die Stadt nach Sydney nicht unvoreingenommen genießen konnte. Vergleiche sind einfach niemals fair.

 

Gar nicht so weit von Auckland entfernt, halte ich das erste Mal an. Ich bin süchtig nach den Outlook-Schildern. In Warkworth lockt mich ein solches und ich folge ihm steil bergan, bis ich den Ausblick über das Dome Valley erreicht und ausgiebig genieße.

Dem Ratschlag des Reiseführers folgend leiste ich mir dann einen Abstecher nach Pakiri. Ein menschenleerer, breiter Sandstrand breitet sich vor meinen Augen aus.

Und hier steht es: mein weißes Haus am Meer. In meinen Gedanken habe ich es mir genauso ausgemalt, mein Coachinghaus, Meditationsplatz und Kreativort, in dem ich all meine Zukunftspläne vereinen kann. Doch 18.000 Kilometer von zu Hause entfernt? Was genau möchte mir das Universum damit sagen?

Nachdenklich fahre ich weiter und erreiche Whangarei. Den Ort finde ich wenig spektakulär, doch stolpere ich hier staunend über Spuren von Friedrich Hundertwasser. In seinen letzten Jahren lebte er hier, bis er auf der Fahrt mit der Queen Mary zwischen Neuseeland und Europa an einem Herzinfarkt starb. Einige Arbeiten von ihm sind in der Umgebung zu bewundern, so wohl die berühmteste öffentliche Toilette der Welt, die er gestaltet hat.

Der Tag nähert sich langsam dem Ende und es wird Zeit, dass ich mich nach einem Quartier umsehe. Ich stoße bei meiner Recherche auf die Lupton Lodge, zwar etwas vom Weg abgelegen, doch auf Wunsch kocht der Wirt für seine Gäste. Das hört sich verlockend an, bin ich doch einfach zu müde, um heute Abend noch auszugehen. Telefonisch reserviere ich ein Zimmer und bespreche mein Abendessen mit dem sympathischen Wirt, bevor ich noch einen kleinen Abstecher zu den Whangarei Scenic Waterfalls unternehme.

Tatsächlich bin ich zwar nicht der einzige Gast in dem gemütlichen B&B, aber die Einzige, die Abendessen bestellt hat … und so gibt es ein leckeres „Dinner for one“ und während der Herr des Hauses für mich kocht, unterhält mich Ed Sheeran. Später genieße ich mit einem Glas Rotwein meinen mobilen Schreibtisch.

Am nächsten Morgen zieht es mich zur Bay of Islands, deren landschaftlicher Reiz die 150 Inseln und Landzungen ausmachen. Doch auch geschichtlich hat die Bay einiges zu bieten. Zunächst halte ich in Pahia, einem der quirligen kleinen Strandbäder. Von hier geht die Fähre in das charmante Örtchen Russell.

Spontane Entscheidungen sind die Besten und obwohl es überhaupt nicht auf meinem Plan steht, entere ich die nächste Fähre und genieße die sonnige Überfahrt. In Russell ist die Geschichte stehen geblieben. Hier befindet sich die älteste Kirche Neuseelands und das geschichtsträchtige Hotel „Duke of Marlbourough“. In Russel wurde auch die erste Bibel in Maori übersetzt und gedruckt. Am gleichen Platz ist heute ein kleines Museum mit einem hübschen Café eingerichtet. Genüsslich trinke ich einen Cappuccino, nasche frisch gebackenen Kuchen und beglückwünsche mich zu meiner Entscheidung zu dieser Zeitreise.

Wieder zurück auf der Landstraße komme ich nicht weit. Mein nächstes Ziel ist Waitangi, DER historische Ort Neuseelands. Hier wurde 1840 der legendäre Vertrag zwischen den Maorihäuptlingen und der britischen Krone abgeschlossen. Hier entstand die erste landeseigene Regierung und tatsächlich wurde das nahe Russell für neun Monate die erste Hauptstadt Neuseelands.
Neugierig betrete ich das Te Kongahu Museum. Te Kongahu ist Maori und versteht sich als eine Metapher für das Potential und die Verheißung für die neue Nation, die hier in Waitangi ihren Ursprung hat.
Fasziniert streife ich durch die Ausstellungsräume, die von den ersten Begegnungen zwischen Maoris und Europäern berichten. 1833 von den Briten eingenommen, wurde am 6.2.1840 genau an diesem Ort der Vertrag unterzeichnet, der für die Zukunft Neuseelands richtungsweisend war. Natürlich war auch das nicht unproblematisch. Nicht alle Stämme unterschrieben, es gab Fehler in den Übersetzungen vom Englischen ins Maori, insbesondere was die Rechte der britischen Krone betrafen und trotzdem – im Vergleich zu anderen Kolonien – war es ein friedlicher Prozess.

Im Versammlungshaus findet eine Vorstellung der Maori statt.
Ich bin wirklich kein Fan von traditionellen Tänzen. Doch was ich jetzt erlebe, elektrisiert jede Zelle meines Körpers. Maori drücken in ihrem Tanz ihr ganzes Leben aus. Krieg, Frieden, Liebe, Leiden, Glück. Es ist das kraftvollste, was ich jemals erlebt habe und ich sehe die Freude bei den Darstellern. Sie führen nichts vor, sie leben ihre Kultur und das macht den Unterschied.

Kaum kann ich mich von diesem Ort lösen. Im Park sehe ich den ersten Kauri-Baum meines Lebens. Diese beeindruckenden Bäume werden bis zu 3000 Jahre alt und über 50 Meter hoch. In den nächsten Tagen werde ich ganze Wälder davon erleben. Um sie zu erhalten, wurden Parks eingerichtet, an deren Eingang jeder seine Schuhe reinigt. Die Besucher bewegen sich auf Holzbohlen und dürfen die Bäume nicht berühren, um sie zu schützen. Das alles weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht und so spüre ich die ganze Energie des steil in die Höhe wachsenden Kauri-Baums, den ich fest umarme (und der das hoffentlich überlebt).

Noch immer möchte ich Wantangi nicht verlassen, soviel gibt es zu entdecken, doch noch habe ich kein Bett für die Nacht und mein Zeitplan ist eng. Es dämmert schon, als ich Coopers Beach erreiche und es dauert eine Weile, bis ich ein Quartier gefunden habe. Ich beziehe mein Zimmer und wechsle dann direkt nach nebenan in ein vom Wirt empfohlenes Indisches Restaurant, in dem ich den Abend zeitig ausklingen lasse.