Yvonnes Reisen

What a wonderful world!

Singapur – mehr als nur ein Stopp over

Im Flieger nach Phnom Penh sitzend, wandern meine Gedanken zurück. Kaum kann ich glauben, dass es erst vier Tage her ist, dass ich Sri Lanka verlassen habe …

Es ist Mittwoch Mittag, verschlafen liegt der Bahnhof von Hatton in der Sonne. Mein Herz pocht. Eine Fahrkarte zurück in die Hauptstadt Sri Lankas habe ich zwar gelöst, doch eine Platzkarte habe ich nicht. Seit Tagen ist der Zug ausgebucht und ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Mit Verspätung fährt der blaue Zug mit dem schönen Namen Podi Menike – übersetzt „Kleines Mädchen“ ein.
So schnell wie möglich sichere ich mir einen Sitzplatz . Immerhin werden wir mehr als fünf Stunden unterwegs sein. Es ruckelt, knallt und faucht – so ganz passt der Name dann doch nicht – und dann setzt sich der Zug in Bewegung. Alle Fenster und Türen sind geöffnet – das macht das Klima im Zug erträglich. Dafür ist es laut , fast unerträglich laut.

Die Zugstrecke aus dem Hochland in die Königsstadt Kandy gilt als eine der schönsten der Welt. Mutige sitzen an der offenen Tür und lassen die Beine baumeln. Das ist dann doch nichts für mich, doch die Aussicht genieße ich in gebührender Entfernung zur offenen Wagontür sehr.

Noch mit den Fahrgeräuschen im Ohr komme ich am Abend auf dem Bahnhof Colombos an. Ich gönne mir ein Fahrt mit UBER, einen privaten Transportdienst, der mittlerweile fast weltweit funktioniert, zum Flughafen. Ich bin froh, dass ich noch ausreichend Zeit bis zum Abflug nach Singapur habe, denn die Abfertigung geht sehr zögerlich. Bei mir stockt sie dann erstmal gänzlich. Der Herr am Schalter vermutet, dass ich Resident sei. Letztes Jahr fünf Wochen, ein Jahr spöter vier Wochen Aufenthalt in Sri Lanka. Das ist wohl so ungewöhnlich, dass er ein Foto von meinem Pass macht.

Nach Mitternacht sitze ich endlich im Flieger nach Singapur.
Ehrlicherweise wollte ich dort nie hin. In meiner Phantasie kann man in diesem Stadtstaat vom Fußweg essen, so sauber ist er und man wird verhaftet, wenn man Kaugummi auf der Strasse kaut …. Und nun hat mir das Universum einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Kambodscha auferlegt … und weil ich mir am liebsten doch ein eigenen Bild verschaffe, buche ich mir für die nächsten drei Tage ein Hotel in dieser Stadt. Getreu meinem Motto: Ich mach’s jetzt einfach.

Doch zunächst komme ich am Morgen völlig übermüdet in meinem kleinen Stadthotel an und bin heilfroh, einen early Check in zu bekommen. Gardinen zu und erstmal schlafen, die Stadt kann noch warten …

Am frühen Nachmittag treibt mich der Hunger raus und fast direkt in die nächste klimatisierte Mall wieder rein. 30 Grad bei über 80% Luftfeuchtigkeit, das muss man erstmal aushalten. Hier geht alles nur gaaanz langsam oder eben indoor. Denn Kälte in geschlossenen Räumen ist ein Luxus, den man sich hier gern leistet.

Singapur – einstmals nur als „little red dot“ bezeichnet- die Insel ist gerade mal 42 x 23 km groß – ist eine relativ junge Nation. Seit 1819 war sie Teil des britischen Empires, das insbesondere an der Sicherung des Seeweges von Indien nach China interessiert war. Als Freihafen zog Singapur schnell Händler aller Nationalitäten an und wuchs in atemberaubenden Tempo. Arbeitskräfte wurden in den Docks gebraucht, so kamen junge Chinesen, Inder und Malaien auf die Insel..

Ich überspringe den Zeitraum bis 1959 bis zur ersten Unabhängigkeit Singapures, dass sich zunächst mit Malaya zusammenschloss, um dann 1965 eher unfreiwillig zum Stadtstaat zu werden, der nun alleine schwimmen musste – ohne Energiequellen, ohne Rohstoffe, ohne Hinterland, ohne Trinkwasser Dafür mit einer mulitethnischen Bevölkerung , hoher Arbeitslosigkeit und ständigem Wohnungsnotstand. Und dann zeigt Singapur dem Rest der Welt, was es so draufhat. Innerhalb einer Generation erreichte es den Sprung von der dritten in die erste Welt und erwirtschaftet weltweit das siebthöchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, belegt Spitzenplätze in den Pisa Studien und gilt als einer der sichersten Städte der Welt. Letzteres kann an den vielen Überwachungskameras liegen …

3,8 Millionen Menschen leben hier, 74 Prozent chinesischen Ursprungs, 13 Prozent malaiisch und 9 Prozent indisch. Und natürlich jede Menge Expats, also Menschen, die für einige Jahre zum arbeiten hierherkommen. Auf engstem Raum kommen hier die verschiedenen Religionen neben– und miteinander aus. Die Moschee direkt neben dem Hindutempel, katholische Kirchen in enger Nachbarschaft zum buddhistischen Tempel. Rücksichtsvolles Miteinander bestimmt das Bild.

Ich lenke meine Schritte nach Downtown, wo sich die beeindruckende Skyline der Wolkenkratzer vor mir auftut. Direkt vor mir das Marina Beach Hotel, das als heimliches Wahrzeichen Singapures gilt. Auf dem Dach des dreisäuligen Hotels thront ein riesiges Schiff mit einem großen Pool und mehreren Dachterrassen.

Doch ich bin viel mehr an den „Gardens by the Bay“ hinter dem Hotel interessiert. 54 Hektar gross ist der Park und hat landschaftlich ganz schön was zu bieten. Nicht zuletzt 18 bis zu 50 Meter hohe „Super Trees“. An den aus Beton und Stahl bestehenden „Baumstämmen“ wachsen tropische Pflanzen. Das sieht nicht nur einzigartig aus, sondern erfüllt auch noch einen Zweck: die Bäume speichern nicht nur die hohe Luftfeuchtigkeit zur Wassergewinnung, sondern auch den Solarstrom, der für die Stromversorgung des Parkes genutzt wird.

Auf dem Baumwipfelpfad in 20 Meter Höhe bestaune ich den Park von oben.

Die Stadt ist tatsächlich sehr sauber, aber keinesfalls steril. Ich ertappe mich dabei, wie ich ein Bonbon heimlich aus meiner Tasche ziehe und hinter vorgehaltener Hand in den Mund schiebe . Essen und Trinken ist im Freien verboten (spart öffentlichen Müll) und lache dann mal wieder sehr herzlich über mich, als wenige Meter später ein Straßenverkäufer Eis im Toastbrot verkauft … „Alles ein bisschen wie normal“ würde eine liebe Freundin von mir jetzt sagen …

Es wird dunkel über der Stadt. Ich gönne mir einen Prosecco in einer der Skybars und genieße die Sound&Lightshow, die hier jeden Abend auf dem Fluss geboten wird.

Am nächsten Morgen strolche ich durch die Stadt, um das historische Zentrum zu entdecken, das es hier definitiv auch gibt. Der Heritage Distrikt war einst der Mittelpunkt der britischen Verwaltung. Die ehemalige City.Hall wurde in die Nationalgalerie umgewandelt und lädt mich förmlich ein, einzutreten, denn es gießt in Strömen. Mit Unterstützung des Musée Orsay in Paris wird hier gerade eine Impressionisten-Ausstellung gezeigt. Monet in Asien – irgendwie schon witzig.

Das heutige Art-House beherbergte früher das Parlament. Die St. Andrews Cathedral erinnert mich stark an London und über das ehrwürdige Gebäude nur durch die drei Buchstaben „SCC“ gekennzeichnet, muss ich schmunzeln. Es ist der Singapore Cricket Club, der auch heute noch nur Mitgliedern vorbehalten ist.

Nur wenige Schritte weiter liegt der Raffles Landing Site, an dem der ehemalige Gouvernor erstmalig Singapurs Boden 1819 betreten hat. Man findet seinen Namen an vielen Stellen: Rafffles Krankenhaus, Raffles Hotel, die Businessclass von Signapore Airlines wurde ebenfalls nach ihm benannt, den Sir Raffle hat Singapur sehr viel zu verdanken, nicht zuletzt die Idee mit dem Freihafen.

Ich wandere weiter Richtung China Town und lasse die Wolkenkratzer hinter mir. Bunte zweistöckige Häuser bestimmen das Bild.


Im Thien Hock Keng Temple,, dem ältesten chinesischen Tempel der Stadt, werfe ich eine Münze in den Brunnen, läute die kleine Glocke und darf mir etwas wünschen.

Ich wandere durch die Straßen an Hindu-Tempeln, Moscheen und vielen winzigen Geschäften vorbei.

An einem der Stände kaufe ich mir bei einem älteren Herrn endlich einen Regenschirm (Regenjacke bei 30 Grad ist nur sinnvoll bedingt, ausser man mag Dampfsauna). Stolz erklärt er mir, dass der Schirm auch gegen Sonne schützt, da er innen beschichtet ist. Meinen Einwand, dass Europäer die Sonne ja eher mögen, entkräftet er mit einen Zeitungsartikel der gestrigen Ausgabe: es wurde der höchste UV-Wert ever in Singapur gemessen … Naja, im Augenblick regnet es eh.

Der Hunger treibt mich in einen Hawker – früher die Garküchen Singapurs, sind sie jetzt überdachte Food-Meilen, die sehr leckere Kost anbieten.
Schnell komme ich mit einem Ehepaar aus Liechtenstein ins Gespräch. Bei Günter Jauch hätte ich die Frage nach „In wie vielen Ländern wird deutsch als Muttersprache gesprochen“ falsch beantwortet, denn es sind tatsächlich vier. Die Liechtensteiner sprechen ebenfalls deutsch – Hand aufs Herz: Habt ihr es gewußt?

Später wandere ich zurück nach Down Town. In China wird das Neujahrsfest je nach Mondstand immer Ende Januar/ Anfang Februar gefeiert. Dieses Jahr fand dieses Ereignis am 16. Februar statt. Die Festivitäten dauern 15 Tage an und da in Singapur vorwiegend Chinesen leben, ist alles noch bunt geschmückt, es gibt Vorführungen und Feuerwerk und ich bin mittendrin.

Übrigens 2018 ist das Jahr des Hundes – in dem es um Beständigkeit geht und in dem Ausdauer und Fleiß belohnt werden.

Und schon bricht der letzte Tag meines „Stop overs“ an. Nach dem Frühstück wandere ich nach Kampong Glam. Hier leben traditionell die Muslime der Stadt. Schon von Weitem entdecke ich die schönste Moschee Singapures. Genau we ihr Name „Sultan-Moschee“ wirkt sie wie aus einer Geschichte von Shezerade entsprungen. Doch wird sie heute noch sehr aktiv genutzt und auch Besucher sind willkommen. So werfe auch ich einen Blick in die mir sonst so fremde Welt.

Das arabische Viertel hat sich auch zum Szene-Viertel entwickelt. Schicke Bars, Restaurants und Geschäfte säumen die Straßen.

Weiter geht es per pedes nach „Little India“.. Ähnlich wie schon in Chinatown oder in Kampong Glam überwiegen hier die kleinen bunten Häuser mit den Fensterläden aus Holz. Vielleicht ein bisschen mehr indisch, wobei von Indien ist das Viertel sicher meilenweit entfernt.

Mich zieht es in den Leong San Tempel in einer der vielen kleinen Seitenstraßen. Nicht wegen der 15 Meter hohen Buddha-Statue, die auch sehr beachtlich ist und der Huldigung von Brahma und Ganesha als Verbindung zum Hindusimus, sondern wegen der Replik des Fußabdruckes von Buddha auf dem Adams Peak. Dort mit einem Tuch verhüllt, bekomme ich in Singapure eine Vorstellung davon, was ich in Sri Lanka nicht gesehen habe.

Pflasterwandern macht müde und so gönne ich mir am Nachmittag ein Taxi zum Botanischen Garten. Was für eine Oase .. Nach einer Stärkung durchstreife ich den Orchideenpark und schlendere über die Wiesen.

Das Ende des Tages ist der Orchard-Street gewidmet. Mehrere Kilometer lang reiht sich hier Shoppingtempel an Shoppingtempel. Alle edlen Marken sind vertreten, aber auch H&M und Zara haben Geschäfte hier. Straßenkünstler säumen die Fußwege und geben der Szenerie ihren ganz eigenen Flair.

Fast schon wieder im Hotel angekommen, ziehen mich brennende Kerzen und Musik magisch an. In der Peter&Paul Cathedrale zelebrieren hunderte von Jugendliche eine Zeremonie. Teelichter werden vom Eingang bis nach vorn in der Kirche getragen. Alle singen mit. Der Augenblick ist so friedlich. Auf den Bönken nebenan schauen traditionell gekleidete Hindufrauen der Prozession zu.

Jemand schenkt mir eine Kerze und lädt mich ein, teilzuhaben. Ich gestehe, keiner Konfession anzugehören, doch das ist gar nicht wichtig. Es ist der Moment, der zählt und die Erkenntnis wie wichtig es ist, zu einer Gemeinschaft zu gehören. Voller Dankbarkeit und Freude denke ich in diesem Moment an meine Familie und meine Freunde zu Hause . Schön, dass es euch gibt.

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Adams Peak – dem Paradies so nah

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  1. Christine Fell

    Sehr eindrucksvoll geschrieben , liebe Schwägerin ?

  2. Marion

    Durch die Mischung von Bildern und Text machst Du es uns einfach Dir gut in Gedanken bei Deiner Reise beizuwohnen! 🙂

  3. Alfons Stuecke

    Wunderschön geschrieben, da bekommen wir schon wieder Sehnsucht nach Singapur.
    Ganz herzliche Grüße aus der Wildnis,
    Deine Edna und Alli

    • Yvonne

      Und im Botanischen Garten bekam ich Sehnsucht nach euch und dem Regenwald
      See you soon
      Liebe Grüße aus Phnom Penh

  4. Marita

    Ich hoffe, Du hast auch einen Singapore sling genossen. Das gehörte in Singapore für mich immer dazu und auch der Zoo.

    Dank Deiner tollen Schilderungne kommen die Erinnerungen wieder hoch und sind wieder lebendig.

    • Yvonne

      Liebe Marita, den Singapore Sling hätte ich gern im Raffles Hotel an der langen Bar getrunken – doch das wird gerade saniert …
      Für den Tierpark habe ich vielleicht morgen spontan Zeit. Eigentlich steige ich von Hanoi nur nach Darwin um, doch auf den australischen Norden rast gerade ein Zyklon zu …
      Liebe Grüße Yvonne

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