Als Gott Adam und Eva aus dem Paradies verstieß, sei dies der Ort gewesen, an dem Adam das erste mal die Erde betrat, so sagen es die Muslime.
Wahrzeichen dafür ist ein 1,8 Meter großer Stein auf der Spitze des 2243 Meter hohen Berges, den sie als Fußabdruck Adams verehren und der heute in einem kleinen Tempel mit Tüchern verhüllt, bewahrt wird. Sri Pada nennen die Buddhisten den Berg – heiliger Fuß übersetzt – denn für sie ist es der zu Stein gewordene Fußabdruck Buddhas. Die Hindus, zweitgrößte Religionsgemeinschaft Sri Lankas, sehen darin den tanzenden Abdruck von Gott Shiva. Und auch die Christen haben ihre Geschichte dazu. Für sie ist stammt der Abdruck vom Apostel Thomas, der ihre Religion nach Südindien brachte.
Ein heiliger Ort für vier Religionen, zu dem ihre Anhänger gemeinsam friedlich pilgern. Unter sie haben sich längst auch Touristen gemischt, die die Magie dieses Ortes erleben wollen.
Und so ist es auch für mich endlich soweit. Die Energieorte dieser Welt möchte ich spüren und so mache ich mich auf den Weg: 5200 Stufen und 1000 Höhenmeter sind auf sieben Kilometern zu überwinden…
Es ist 1 Uhr morgens. Ein Tuk Tuk bringt mich von Hatton zum Fuße des Berges. Eine gute Fahrstunde später steige ich aus. Noch bin ich zu keinem klaren Gedanken in der Lage. Schlafwandlerisch laufe ich an Marktständen vorbei, die so früh noch geschlossen haben. Viertel vor drei ist es, als ich das Makara-Tor durchschreite, dem Eingangsportal zum Adams Peak.
Neben der Friedens-Pagode, die ich erst auf dem Rückweg richtig sehen werde, steht ein Mönch, der unseren Aufstieg segnet. Traditionell umschlingt er mein Handgelenk mit einem weißen Bändchen und ich trage mich in das ausliegende Buch ein. Aus der ganzen Welt kommen Menschen hierher, um den Aufstieg zu wagen. Ich lese Namen aus Japan, Kanada, Österreich – die Liste ist endlos lang.
Am Anfang wechseln sich Treppen noch mit normalen Wegpassagen ab. -sozusagen zum Eingewöhnen. Doch bald beginnt der Hauptanstieg, der nur noch aus Stufen besteht. Ich bin so froh, die Wanderstöcke dabeizuhaben, die mir liebe Gäste aus der Singharaja Lodge bei ihrer Abreise gegeben haben. So kann ich mich bei den bis zu einem halben Meter hohen Stufen gut abstützen. Keine Stufe gleicht der anderen: mal flach, mal hoch, manche vom Regen ausgewaschen, einige stark beschädigt. Ich entwickle meinen eigenen Rhythmus: 52 Stufen gehen, durchatmen, 52 Stufen gehen, wieder kurz pausieren …
Der ganze Weg ist beleuchtet. Buddhistische Fahnen schlängeln sich an ihm nach oben.
Ununterbrochen kommen mir Pilger entgegen, die in der Nacht auf der Spitze des Berges gewesen sind. Ich sehe ihnen die Strapazen an. Frauen, die vor Erschöpfung weinend am Arm ihres Mannes absteigen. Alte Männer, die sich auf ihren Stöcken abstützen. Einige sitzen auf den Stufen, um kurz auszuruhen. Ich zwinge mich, jetzt nicht an den Abstieg zu denken und konzentriere mich ganz auf den Augenblick.
Der Himmel ist so klar, wie selten hier. Unzählige Sterne sind zu sehen und rahmen die Laterne auf der Bergspitze ein: dem Himmel so nah. Kaum kann ich mich sattsehen an diesem Bild.
Ungefähr auf der Hälfte des Weges gönne ich mir an einer der zahlreichen Teestuben eine Pause. Dankbar nehme ich den starken Tee mit viel Milch und Zucker entgegen und merke, wie meine Kräfte zurückkehren.
Ohne Gefühl für Zeit oder Strecke laufe ich weiter und bin fast überrascht, als ich schon am steilsten Stück des Weges ankomme. Früher musste der Weg, der fast senkrecht zur Kegelspitze des Berges führt, am nackten Fels erklommen werden. Heute führen Stufen aus Beton den letzten Kilometer nach oben. Rechts und links sichern Geländer die Pilger ab. Pause für meine Stöcke, denn wie alle anderen ziehe ich mich an dem Eisengeländer nach oben. Es geht sehr langsam voran. Der Weg ist hier so schmal, dass keiner mehr überholt werden kann und so passen wir das Tempo einander an. Hin und wieder erklingt von oben ein tiefer Ton. Jeder, der auf der Gipfelplattform ankommt, darf die Glocke läuten und zwar so oft, wie er das Ziel erreicht hat. Jeder Buddhist sollte mindestens einmal den Sri Pada bestiegen haben. Gleichzeitig verspricht die Legende, dass man mit jedem Aufstieg ein zusätzliches Lebensjahr geschenkt bekommt. So kommen manche Gläubige jedes Jahr hierher und lassen die Glocke tönen.
Der Himmel beginnt sich schon leicht rot zu färben, als der Pilgerstrom zu stocken beginnt. Wir stehen kurz vor der Spitze, auf der sich ein kleines Kloster mit dem besagten Fußabdruck befindet. Keiner wird mehr nach oben gelassen, die Plattform ist mit Pilgern gefüllt. Es ist kurz vor 6 Uhr. Alle Augen und Kameras sind gen Osten gerichtet, wo das Naturschauspiel beginnt. Blutrot wird der Himmel, die Landschaft ist schemenhaft bereits zu erkennen, bis sich eine knappe halbe Stunde später die Sonne hinter den Bergen am Horizont langsam zeigt. Es ist ein so berührender Augenblick, die Mönche beginnen zu singen und ich bin den Tränen nah – einer dieser magischen Momente in meinem Leben, für den ich unfassbar dankbar bin.
Immer mehr zeigt sich von der wunderschönen Landschaft. Große Seen tun sich vor meinem Auge auf, Gebirgszüge, in weiter Ferne das Meer. Kein Foto kann wiedergeben, was die Natur uns schenkt.
Später komme auch ich auf der Plattform an…
… und läute voller Stolz die Glocke. Ich kann alles erreichen, was ich wirklich will, sagt dieser Glockenschlag für mich.
Es ist Zeit für den Abstieg. Die Sonne hat schon deutlich an Kraft gewonnen, die Jacke verschwindet als erstes in den Rucksack und dann reihe ich mich in die Schlange der Menschen ein, die langsam die steilen Stufen hinabklettern.
Beim Abstieg bewundere ich immer wieder den so grünen, dicht bewachsenen Berg. Zwischendrin werden die Beine durch die hohe Anstrengung schon ganz schön wacklig und ich bin ein weiteres Mal sehr froh, mich an meinen Stöcken festhalten zu können. Schmunzelnd erreiche ich weit unten das erste Plateaus, auf dem an einem Stand, Massagen und Kniebehandlungen angeboten werden. Ich begnüge mich mit dem Kauf einer ayurvedischen Salbe und steige weiter ab.
Unterwegs bekommen alle Pilger zur Stärkung kostenlos ein kleines Tütchen mit Maiskorn scharf mit Chilli gewürzt gereicht. Ich gönne mir eine kurze Pause und schaue staunend zurück: auf dieser Spitze habe ich tatsächlich vor kurzem noch gestanden?
Gern würde ich hier noch weiter verweilen, doch mein Tuk Tuk Fahrer hat sich schon telefonisch gemeldet.
Das letzte Stück zieht sich endlos. Bin ich das wirklich heute morgen alles gelaufen? Ich komme an einem Wasserfall vorbei, sehe Affen zu, die von den Touristen gefüttert werden, überquere eine Brücke und laufe an endlosen Ständen vorbei, die allerlei Waren anbieten.
Unterwegs wird mir noch ein heißer leckerer Ingwertee gereicht, als mich plötzlich mein Fahrer anspricht, an dem ich fast vorbeigelaufen wäre. Es ist schon nach 10 Uhr und ich war fast 7 Stunden unterwegs. Doch keinen Augenblick möchte ich jemals missen.
Die Fahrt zurück gleicht einer Panoramatour. Seen, Wasserfälle, Teefelder wechseln sich ab. Immer wieder zeigt sich der Adams Peak mit seiner prägnanten Spitze und mein Fahrer hält an, damit ich auf ihn zeigen kann: Schau, da oben bin ich gewesen und ich werde zurückkommen, immer und immer wieder …
Elisabeth
Nie werde ich den Aufstieg durch die Nacht vergessen – und als die Sonne aufging, kehrten die Farben in die Welt zurück! Da steht man und staunt. Sprachlos. Ergriffen. Danke, Yvonne! Deine Schilderung hat mir den Adam’s Peak wieder ganz nahe gebracht.
PS: Hast Du von der Legende gehört, dass alle Schmetterlinge der Insel zum Adam’s Peak fliegen, um dort zu sterben? Traurig, schön, oder?
Yvonne
Liebe Elisabeth, ja davon habe ich gehört. Die Singhalesen nennen den Berg deswegen auch Samanala Kanda – Schmetterlingsberg. Im Frühjahr soll es riesige Schwärme von Schmetterlingen geben, die den Berg zu ehren kommen. Traurig schön …
ulli
Da jagt ja ein Highlight das nächste H….
Wünsche Dir weiter eine tolle Zeit ..
Waren auch gerade in den Bergen .. einfach nur Ski fahren .. war aber auch total schön !!!
Bis bald Deine Ulli & Kids
PS dein Lieblingstrainer darf DHB Trainer bleiben 🙂
Marion
Liebe Yvonne, Du hast es geschafft – rauf und vor allem wieder gut runter vom Berg zu kommen, Du kannst stolz auf Dich sein und ich freue mich mit Dir, dass Du so tolle Momente erleben darfst! Ich hätte mir die Massage und Kniebehandlung vermutlich auf keinen Fall entgehen lassen… 😉
Ich bin schon auf Deinen nächsten Bericht gespannt, sei lieb gegrüßt
Marion
Yvonne
Liebe Marion, in Anbetracht meines Muskelkaters in den Waden würde ich auf jeden Fall das nächste mal zur Massage gehen ?
Jetzt versuche ich nochmal mein Glück mit dem Zug … bin schon sehr gespannt
Liebe Grüße letztmalig aus Sri Lanka
Sylvia
Ach Yvonne, mir sind dir Tränen in die Augen geschossen, als ich deinen Bericht gelesen und die Fotos angeschaut habe.
Am meisten berührt hat mich der Fakt, dass ein Berg machen kann, dass Menschen von vier verschiedenen Religionen so friedfertig miteinander (um)gehen und sein können – das ist etwas, das mir in der heutigen Zeit gaaanz viel Hoffnung gibt.
Liebe Grüße und eine erlebnisreiche Weiterreise
schickt dir mit einer festen Umarmung deine Sylvia
Josef Fehr
Liebe Yvonne
Wir wünschen Dir weiterhin eine erlebnisreiche Reise rund um die Welt.
Die zwei Liechtensteiner aus Singapur, Rita und Josef
Yvonne
Dankeschön.
Es war sehr schön, euch kennenzulernen.
Ich wünsche euch heute einen entspannten Flug und dann eine inspirierende Reise durch Myanmar.
Liebe Grüße Yvonne
Alfons Stuecke
Liebe Yvonne,
meinen Glückwunsch zu Deiner Erstbesteigung. Also, wenn ich so Deine Version vom Sri Pada lese, fühle ich mich auch wieder auf dem Weg. Vielleicht gehen wir ja nochmal zusammen, den Hauptweg hinauf und den Königsweg hinunter.
Mit herzlichen Grüßen aus dem tiefen Tal,
Alli
Yvonne
Das wäre ganz einfach wunderbar.
Lass uns das planen – ich freu mich drauf
Marita
Hall Yvonne, ich freue mich, dass Du Dir den Traum der Wanderung auf den Adam‘s Peak erfüllt hast und es Dich so berührt hat.