Ich mag Abreisetage so überhaupt nicht. Zwar fliegt die Maschine von Boston nach München erst am Abend und trotzdem stehe ich den ganzen Tag unter dem Druck, alles pünktlich zu schaffen, aber keinesfalls zu früh auf dem Flughafen zu sitzen.
So gönne ich mir noch ein letztes ausgiebiges Frühstück am großen gemeinsamen Tisch und versuche den Gesprächen der Amerikaner zu folgen. In dieser Geschwindigkeit ist das allerdings immer noch fast unmöglich.
Ein letzter Kaffee auf meiner eigenen kleinen Terrasse und schon geht es los. Die Sonne scheint, also auf das Cabriodach. Im Autoradio läuft die Playlist von Diana Krall. Genau die richtige Musik nach dem Konzert mit Suede. Es verwundert mich zwar etwas, da ich die die Playlist nicht wissentlich selbst ausgesucht habe. Die Frau aus dem Zimmer über mir hatte aber bereits vorgestern Abend darauf geschworen, es spuke im Haus. So wird es wohl sein und der gute Geist hat für besondere Musik an diesem besonderen Morgen gesorgt.
Nach gut einer Stunde erreiche ich Hyannis. Das Städtchen hat eigentlich keinen besonderen Charme. Weswegen es trotzdem gut besucht wird, liegt einfach daran, dass hier die Fähren zu Marthas Vinyard und Nantucket ablegen. Eigentlich stand eine der beiden Inseln auch auf meinem Reiseplan für einen Tagesausflug. Dies fiel aber dann meinem day off zum Opfer. Am Pier der großen Fähren schaue ich mir die Fahrpläne an. Das Universum achtet ein wenig auf mich. Die Fahrzeiten liegen so ungünstig, dass mein sehr spontaner Plan, schnell mal nach Marthas Vineyard überzusetzen, nicht durchführbar ist. Insgeheim bin ich dafür fast dankbar. 2 Stunden Fahrt mit der Fähre für 77 Dollar, um dann eine Stunde am Fährhafen auf der Insel zu sein. Das ist es nicht wert.
So beschäftige ich mich eher mit John F. Kennedy, der seine Ferien oft hier in der Gegend um Hyannis erbracht hat. Als er von Boston aus als Kandidat für das Präsidentschaftsamt antrat, wartet er hier auf sein Wahlergebnis und nahm die Wahl auch von hier aus an.
Die Kennedys mochte das Cape sehr. John F. Kennedy ist es zu verdanken, dass große Teile des Capes heute Naturschutzgebiet sind. Mit einem kleinen Museum, einem Denkmal und einem Lehrpfad bedankt man sich hier bei ihm dafür.
Ich laufe weiter an den Strand und habe noch einmal einen herrlichen Ausblick auf den heute sehr ruhigen Atlantik. Die Sonne gibt ihr Bestes. Es ist fast windstill. Nach einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass ich noch immer genügend Zeit habe. So breite ich mein Tuch im Sand aus, stecke zum ersten Mal meine Füße in den zugegebenermaßen sehr kühlen Atlantik und wärme sie dann im warmen Sand wieder auf. Es gibt nichts zu tun, nur tief die Luft einzuatmen, zu entspannen und auf das weite Meer zu schauen .
Später gibt es in einer kleinen Hafenkneipe, die heute letztmalig in dieser Saison geöffnet hat, noch eine Lobsterroll zum Abschluss.
Dann ist es schon fast knapp mit der rechtzeitigen Ankunft auf dem Bostoner Flughafen. Ab Ortseingangsschild rollt der Verkehr auf der Interstate nur noch stockend. Doch bald ist der Flughafen erreicht. Noch ein Erinnerungsfoto vom Tachostand: Mit 2000 Kilometern und 30 Stunden Fahrzeit geht mein Roundtrip hier zu Ende. Alles läuft reibungslos bei der Autorückgabe. Ein schneller Blick zurück auf dieses tolle Cabrio, dass mich auf eine beeindruckende Reise durch New England begleitet hat.
Gepäck abgeben, durch die Sicherheitskontrolle und dann sind doch noch 2 Stunden Zeit bis zum Abflug. Stilgemäss verbringe ich diese an einer kleinen Weinbar mit einem Glas Chardonnay und begebe mich in Gedanken noch einmal auf die Reise.
Erinnere mich an meine Ankunft in Boston und das schicke kleine Restaurant, das meinen Namen trägt. An meinen Geschichtstag auf dem Freedom Trail. An die Begegnung mit Miguel, die ich mir im Nachgang nicht ganz so melancholisch gewünscht hätte. An den Bostoner Charles River und an das Gefühl, endlich angekommen zu sein.
Ich schmunzle in Gedanken über mein staunendes Gesicht, als ich das Cabrio zum erstenmal sah. Im Nachgang betrachtet, war Porthsmouth, das Städtchen, in der ich meine Mittagspause am ersten Tag verbrachte, fast mit das hübscheste und quirligste.
An Kennebunkport erinnere ich mich insbesondere an meine erste Begegnung mit dem Indian Summer, die mein Herz zum klingen brachte.
Unvergessen die Fahrt auf dem Kancamagus Highway in den White Mountains – was für eine Farbenpracht und dann dieser Duft.
Ebenso mein Abenteuertrail durch den einsamen Wald und den Stolz darauf danach.
Nebel auf dem Mount Washington und als keine Wiedergutmachung die Panoramaaussicht von der Terrasse des Mount Washington Hotels.
Unbeschreiblich die Schönheit im Acadia Nationalpark, hervorgerufen durch die perfekte Kombination vom blauen Meer umrahmt von den vom Indian Summer in die herrlichsten Farben getauchten Wälder.
Cap Code mit dem ganz eigenen Reiz der Dünenlandschaften und Provincetown bunt, aufgeschlossen und lebenslustig.
Vielseitig war die Reise, abwechslungsreich und insbesondere von der Schönheit der Natur geprägt. Anderes war sie aber auch, sehr nachdenklich, etwas stiller und nicht immer ganz unbeschwert.
Doch ich glaube, ich habe meinen eigenen Weg gefunden, der Verlauf noch nicht klar, aber die Richtung stimmt ..
Christine
…Die Richtung stimmt…mit kleinen Kurven und Biegung…Es wird immer eine Abzweigung geben…für dem Fall , dasdie Richtung nicht stimmt ???