Der Nachtflug von Honolulu nach New York verläuft unkompliziert. Am frühen Morgen lande ich am Flughafen JFK, kaufe mir eine Metrokarte, nur um dann festzustellen, dass diese in der Regionalbahn nicht gilt. Die Schaffnerin ist freundlich und lässt mich kostenlos weiterfahren. Kurze Zeit später stehe ich mitten in Brooklyn – umgeben von einem Mix aus modernen Hochhäusern und den braunen Backsteinhäusern, die ihren Charme verströmen. Schon stellt sich dieses energetisierende Gefühl wieder ein, das ich von New York so gut kenne. Die Stadt vibriert und nimmt mich vom ersten Moment an in ihren vollen Besitz.
Vergessen ist der lange Flug und der schwere Rucksack auf meinen Schultern. Vergessen ist auch, dass ich erst am Nachmittag mein Appartement beziehen kann und daher erstmal völlig planlos bin.
Google Maps verrät mir, dass ich mich ganz in der Nähe des Prospect Parks befinde.
Und wieder einmal erinnere ich mich daran, wie unterschiedlich die Stadt wahrgenommen wird. Ich höre all die Stimmen in meinem Ohr, die New York als schmutzig, laut und hektisch beschreiben. Natürlich weiß ich, dass ich als Reisende das Privileg habe, mich nur mit den schönen Dingen umgeben zu können und genau dies genieße ich hier in vollen Zügen. So wandere mit offenen Augen und einem offenen Herzen in den wundervollen Stadtpark, bestaune die Kirschblütenpracht
und spüre die Strahlen der Frühlingssonne in meinem Gesicht. Wenige Minuten später falle ich unter einem der Bäume in einen süßen Schlaf.
Kurz danach treibt mich dann doch der Kaffeedurst an, den ich in einem Café mit dem schönen Namen Cheryl’s Global Soul stille. Ich laufe durch die Straßen von Brooklyn, sehe die Sonnenstrahlen auf den Häusern tanzen und erreiche mein liebevoll eingerichtetes Appartement in der Deanstreet. Ich werfe meinen Rucksack ab und tauche bald darauf in die Blütenpracht des Botanischen Gartens von Brooklyn ein. Die Natur meint es gut mit mir, Kirschblüten, Tulpen, und Pfingstrosen blühen um die Wette und wetteifern um meine Gunst. Der intensive Duft von Flieder liegt in der Luft und um mich herum brummt und summt es von Bienen, die davon genauso betört sind wie ich.
Am Nachmittag holt Douglas mich in meinen Appartement ab. Wir haben uns während der Tour im Outback Australiens kennengelernt und als er hörte, dass ich nach New York kommen werde, versprach er, mich hier zu unterhalten. Und dieses Versprechen nimmt er nun auch sehr ernst. Wir laufen über die Brooklyn Bridge und ich bestaune die Skyline von Manhattan, später essen wir in Chinatown und trinken zwei Bier in einem Pub in Soho. Warum zwei Bier? Weil die hier witzigerweise immer nur im Doppelpack verkauft werden.
Auf einer Leinwand wird ein Baseball-Spiel übertragen. Meine Bitte, mir die Regeln dieses Spiels zu erklären, endet in einem großen Gelächter, denn leider, leider – ich verstehe nichts davon.
Wir laufen noch ein wenig durch die Straßen, bis es Zeit wird, nach Brooklyn zurückzukehren.
Am nächsten Morgen zeigt sich die Stadt wolkenverhangen und kühl. Ich bringe meine Wäsche in den Waschsalon, erledige ein paar Einkäufe und komme mir so herrlich untouristisch dabei vor.
Später fahre ich nach Manhattan, bummle über den Times Square und die 5. Avenue und schütze mich in der Central Station vor dem aufkommenden Regen. Als dieser nachlässt, spaziere ich am Fluss entlang immer mit Blick auf die Brooklyn Bridge. Könnte ich wirklich hier leben, mich dem Tempo der Stadt anpassen und sie trotzdem noch genießen?
Der Hunger vertreibt tiefschürfendes Gedankengut. Auf meiner Liste steht noch immer „Katz Delikatessen“ – DAS New Yorker Restaurant, das seit 1888 berühmt ist speziell für seine üppig belegten Pastrami-Sandwichs. Vor meinen Augen wird nun genau dies frisch zubereitet mit saftigem Fleisch, würzigen Gurken und viel Senf – das Ergebnis kann sich echt sehen lassen, von dem Teil wird locker eine vierköpfige Familie satt.
Am Abend entscheiden Douglas und ich spontan, uns nach Restkarten für den Broadway zu erkundigen. Tatsächlich ergattern wir zwei Plätze für das Musical, das seit 30 Jahren hier aufgeführt wird und noch immer Vorstellung für Vorstellung fast ausverkauft ist: „Das Phantom der Oper“
Die Aufführung ist überwältigend, brilliant die Stimmen, die sich bis zu Operngesängen hinauf wagen. Das Bühnenbild entführt uns in die Welt der Pariser Oper. Schnell sind wir gefangen von der berührende Geschichte um Christine, Raoul und das Phantom.
Am nächsten Morgen breche ich zeitig auf. Auf meiner „Überhang-To Do list“ meines letzten Besuches in New York steht noch das Guggenheim Museum mit seiner berühmten Rotunde.
Nach 70 Minuten Fahrtzeit mit der Metro von Tür zu Tür stehe ich vor dem Eingang und bin zunächst schwer enttäuscht. Die Rotunde ist für den Aufbau der nächsten Ausstellung gesperrt.
Der Besuch lohnt sich trotzdem. Neben zwei Wechselausstellungen, ist es vor allem die Thannhauser Collection mit Bildern von Degas bis Picasso, die mich fasziniert.
Herrlichster Sonnenschein erwartet mich, als ich wieder nach draußen komme.
So lockt der nahe Centralpark. Schon gegen Mittag meldet sich Douglas. Wir laufen uns entgegen, um uns an der Ecke 5 Av und 65. St zu treffen.
Mit einem Coffee to go aus einem nahegelegenen Diner in der Hand hören wir einem der vielen Straßenmusiker im Park zu.
Später fahren wir über Brooklyn nach Long Island, was einer Weltreise gleichkommt. Douglas daran erinnernd, dass er mir im Outback erzählt hat, er wohnt sehr nah am Ozean, will er mir das Wasser nun auch zeigen.
Normalerweise ist es seine Radstrecke, die wir zu Fuß zurücklegen, immer am Highway entlang. Nach einer gefühlten Ewigkeit sehe ich in der Ferne Ausläufer einer Bucht. Doug entscheidet, wir gehen noch fünf Minuten, dann drehen wir um. Das treibt mir die Lachtränen in die Augen. Der Spaziergang am Highway ohne Ozean wird zu unserem runing gag für die nächsten Tage.
Der nächste Morgen beginnt trüb, die Sonne hat sich hinter dichten Wolken verkrochen. Trotzdem entscheiden wir uns zu einer Wanderung am Hudson River. Noch immer nicht an die hiesigen Entfernungen gewöhnt, bin ich über die zweistündige Autofahrt zu unserem Ziel etwas überrascht. Zwischendrin regnet es in Strömen und jeder hängt seinen Gedanken nach. Doch Petrus meint es gut mit uns und schließt seine Schleusen für die nächsten zwei Stunden. Der Aufstieg ist anstrengend, doch die Aussicht auf die Landschaft rund um den Hudson ist es auf jeden Fall wert.
Von einem jungen Mann bekommen wir eine Landkarte geschenkt, was sich als sehr nützlich erweist, denn die Ausschilderung ist ganz sicher noch ausbaufähig. Von mir selbst überrascht, meistere ich den Abstieg problemlos – ob ich hier wohl eine Blockade durchbrochen habe?
Kurz bevor wir unseren Ausgangspunkt erreichen, schüttet es wieder wie aus Kannen. Klitschnass und durchfroren setzen wir uns ins Auto und sind uns einig, dass wir trotzdem viel Glück mit dem Wetter hatten.
Das Riverview Restaurant, das wir uns zu einem späten Lunch ausgesucht haben, ist gut gefüllt mit einigen Gesellschaften. Leicht underdressed und auch noch ein bisschen tropfend, bekommen wir trotzdem einen Tisch und ein ausgezeichnetes Mittagessen.
Zwei Stunden zurück nach Long Island – ich habe den Schlüssel für mein Appartement vergessen – gut eine Stunde Autofahrt nach Brooklyn und dann nochmal 30 Minuten mit der Metro lassen wir den Abend in einer kleinen Bar in DUMBO bei Livemusik ausklingen.
Auch am nächsten Morgen ist das Wetter unbeständig und der Spaziergang durch den Prospect Park eher ungemütlich. Wir flüchten uns vor dem kühlen Regen in das Brooklyn Museum, dem zweitgrößten Museum von NYC, und wandern durch die vielseitigen Ausstellungen. Insbesondere die „Mecca Journeys“ faszinieren uns beide, hatten wir wohl beide ein völlig anderes Bild im Kopf, als sich hier von der modernen Stadt in der Wüste zeigt.
Noch ein weiteres Museum steht am nächsten Morgen auf Dougs Besichtigungsprogramm: das Museum of New York City in Manhattan. Dabei hat es mir vor allem die Ausstellung mit Fotografien von Stanley Kubrick angetan. Es ist kaum bekannt, dass der junge Kubrick vor seiner großen Filmkarriere auch als Fotograf für die Zeitschrift „The Look“ sehr erfolgreich war.
In der Ausstellung „NY at its core“ werden die 400 Jahre Geschichte der Stadt dargestellt. Bisher hatte ich nicht wirklich darüber nachgedacht, doch nun drängt sich mir die Frage auf „Wo warst du an 9/11?“. Tatsächlich war Douglas in der Stadt, glücklicherweise nicht in Downtown, doch die Explosionen waren auch in Midtown zu hören und natürlich gibt es niemanden in New York, der nicht jemanden, den er gekannt hat, an dem Tag verloren hat …
Doch dann zieht es uns zurück in die Sonne. Durch den Centralpark laufen wir ins City Center, ich winke Manhattan noch einmal liebevoll zu, bevor wir in der U-Bahn verschwinden.
In Queens aufgewachsen, zeigt Douglas mir sein Elternhaus und seine Schule.
Gut ausgerüstet mit einer kühlen Flasche Weißwein lassen wir uns danach an der Bayside in Queens nieder und so bekomme ich doch noch meinen Ausblick auf das in der Sonne glitzernde Wasser.
Am nächsten Morgen lässt Doug es sich nicht nehmen, mit mir noch für einen kurzen Abstecher an den Jones Beach zu fahren und ehrlicherweise ist dieser dann doch recht nah an seinem Haus.
Genauso nah wie wenig später der Flughafen La Guardia, von dem ich weiter nach Wilmington fliege, um von dort die Heimreise anzutreten.
Der Abschied geht schnell und schon stehe ich mit meinem Rucksack wieder an dem Punkt, der mir so vertraut ist: Allein auf Weltreise
Elke
Ah, New York! Schon sechs Jahre nicht mehr dort gewesen. So eine tolle Stadt! Du hast es auch mit diesem Bericht geschafft, mich gedanklich dorthin mitzunehmen. Danke!