Flug QF 155 von Melbourne nach Auckland. Tatsächlich sind heute auf den Tag genau vier Wochen vergangen, seit ich meinen ersten Spaziergang auf australischem Boden unternommen habe. Auf Perth an der Westküste folgte die intensive Begegnung mit dem Outback im Herzen des roten Kontinents. Von Melbourne aus ging mein Roadtrip nach Adelaide in South Australia. Meine Woche Sydney gehört definitiv zu den Höhepunkten meiner Reise, darüber wird später zu berichten sein. Und da ich den Kontinent unter keinen Umständen schon verlassen wollte, hängte ich noch vier Tage auf Tasmanien an.
Doch nun wird es Zeit: die Reise geht weiter. Im Flugzeug sitzend, bin ich versucht, dem Piloten zuzurufen: „Das ist ein Irrtum, ich kann hier noch nicht weg. Bitte kehren Sie um.“ Doch stattdessen klappe ich meinen mobilen Schreibtisch auf, den ich die letzten Wochen sträflich vernachlässigt habe, und reise in Gedanken noch einmal zurück:
Es ist Karfreitag – die Straßen sind wunderbar leer, als ich mein Auto aus dem Parkhaus hole. Bei der Planung meines Roadtrips hatte ich komplett unterschätzt, dass so ziemlich jeder Aussie das lange Wochenende für einen Ausflug nutzt. Nur der unendlichen Geduld und irgendwann auch dem Ehrgeiz der sehr sympathischen Frau bei der Autovermietung hatte ich zu verdanken, dass ich für diesen Zeitraum überhaupt ein Auto bekomme, ohne das Gefühl zu verspüren, es direkt gekauft zu haben.
Langsam rolle ich auf die Strasse, orientiere mich kurz und dann geht es los. Ich durchquere Melbourne, lasse die ersten 100 Kilometer hinter mir, bis ich die Great Ocean Road erreiche. Sie gilt als eine der spektakulärsten Küstenstraßen der Welt.
Fast jeder stoppt an dem Schild hinter dem hübschen Küstenort Torquay. Denn ab hier geht es richtig los.
Die Ausblicke sind sensationell, steile Klippen wechseln sich mit traumhaften Strönden ab. Die vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h ist zumindest für die Nichteinheimischen unnötig. Jeder fährt so langsam wie möglich, um keinen Blick auf den Ozean zu verpassen. So drossle auch ich die Geschwindigkeit. Bei fast jedem Lookout halte ich an, um die Landschaft zu genießen. Drei Tage habe ich Zeit für die 800 Kilometer und mir ist schon jetzt klar, das wird knapp …
Ich gönne mir einen kurzen Abstecher zum berühmten Bells Beach, den ich leider nicht zu sehen bekomme. Denn genau an diesem Wochenende findet hier seit 1973 das größte Surferevent Australiens – der Rip Curl Pro – statt. Ich parke mein Auto etwas abseits und versuche, über die Dünen etwas vom Geschehen zu erhaschen. Immer zwei Surfer treten gegeneinander an und versuchen die Welle so lange wie möglich zu surfen. Naja , nicht so mein Ding. Ein paar Kilometer weiter ist der Strand wieder menschenleer.
Und so ist es tatsächlich schon Nachmittag, als ich das nur 150 Kilometer von Melbourne entfernte Künstlerstädtchen Lorne erreiche und beschließe, hier zu übernachten. Ich wandere ein Stück bergauf zum „Teddy Lockout“ von dem man nicht nur das Meer, sondern auch die angrenzende Flusslandschaft bewundern kann.
Eher zufällig stoße ich auf das Qdos- eine Kunstgalerie mitten im Wald, zu der ein Café gehört und fünf Baumhäuser, die im japanischen Stil eingerichtet sind. Eines davon gehört heute Nacht mir.
Die Begrüßung fällt sehr herzlich aus. Für morgen ist eine Ausstellungseröffnung geplant. Während die regionale Künstlerin, Susann Sutton, noch letzte Hand anlegt, darf ich – sozusagen als Pre-Opening – schon einmal mit einem Glas Weißwein in der Hand genüsslich durch die Galerie spazieren.
Auch der Skulpturengarten ist einen Besuch wert.
Lorne macht seinen Namen als Künstlerort alle Ehre, denn auch am Strand entlang reiht sich Kunstobjekt an Kunstobjekt – die Biennale ist eröffnet.
Den spektakulären Sonnenuntergang erlebe ich in einem Restaurant am Meer, den Vollmond gibt es wenig später noch gratis dazu.
Nach dem Frühstück geht es zeitig weiter. Zunächst verlässt die Strasse die Küste und führt durch den beeindruckenden Regenwald des Otway National Parks. Kurzentschlossen biege ich ab, um die 12 Kilometer bis zum Cape Otway Leuchtturm zu fahren. Die Strecke führt durch dichte Eukalyptuswälder, die vielen Koalas als Heimat dienen. Die sehe ich zwar selbst nicht. Doch viel später verstehe ich, warum mitten auf der Straße so viele Autos anhalten und die Menschen wie gebannt nach oben in die Bäume starren .
Der Leuchtturm selbst ist der älteste noch existierende auf dem australischen Festland. 1848 gebaut kann er noch heute bestiegen werden. Die schmale Wendeltreppe ist nicht so wirklich nach meinem Geschmack, doch der Ausblick ist es allemal wert.
Vielmehr fasziniert bin ich von dem angrenzenden Rundweg. Als Ort der Aborigines fühle ich die mächtige Energie, die hier von der Natur ausgeht.
Zurück auf der Küstenstraße erreiche ich den Platz, der für viele als der Höhepunkt der Great Ocean Road angesehen wird – die 12 Apostel. Während ich auf der Strecke bislang ziemlich allein unterwegs war, gerate ich nun in einen Stau und frage mich, wo plötzlich die vielen Autos herkommen. Auf den großen Parkplätzen ist kaum ein freier Platz zu ergattern. Im Pulk überquere ich die Strasse und treffe seit langem mal wieder auf Massen an chinesischen Touristen mit ihren Selfiesticks. Reichlich genervt erreiche ich den Ausblick auf die Felsnadeln, die hier aus dem Meer ragen. Mehrfach nachgezählt komme ich doch immer nur auf sieben, wo haben sich denn die anderen fünf versteckt? Im Reiseführer nachlesend erfahre ich, dass es niemals mehr waren, da aber Apostel immer im Dutzend auftreten, hat man den Namen marketingwirksam angepasst.
Die beiden Felsnadeln auf der anderen Seite heißen Mog und Magog und faszinieren mich wesentlich mehr.
Noch ist die Great Ocean Road nicht zu Ende, und obwohl der Nachmittag voranschreitet, gönne ich mir – nun wieder weitestgehend allein – noch weitere für mich sogar noch malerische Anblicke.
Da ist zunächst „The Arch“, ein Felsbogen, der wie eine Brücke aussieht
Einige Kilometer weiter lohnt sich noch ein Zwischenstopp. Steile Stufen führen hinab in eine Art Felshöhle. „The Grotto“ besticht durch das Wasserfarbspiel von türkis bis hin zu dunkelblau.
Wenige Kilometer spöter beeindrucken weitere Felsformationen im Meer. Offensichtlich habe ich das größte Durchhaltevermögen, denn hier bin ich nun ganz allein.
Bedrohlich schnell nähert sich die „blaue Stunde“, die Zeit der Dämmerung, in der die meisten Tiere, die Strasse kreuzen. Zeit, Quartier zu beziehen.
Der nächste Ort auf meiner Route ist Warrnambool, hübsch am Meer gelegen. Doch wie konnte ich vergessen, es ist ja immer noch Ostern und so verkündet booking. com ganz kleinlaut : 100 % aller Unterkünfte sind ausgebucht. Okay, eine Nacht auf der Rückbank meines Autos wäre jetzt auch nicht so schlimm. Im Kopf richte ich mein Nachtlager schon ein, als mein Blick auf das geöffnete Informationszentrum fällt. Zehn Minuten und einen Anruf von der netten Angestellten später habe ich ein Quartier im historischen Pub von 1894. Das Zimmer ist schlicht, doch renoviert. Tatsächlich ist es aber ein Kneipenquartier, wer hier in Ruhe schlafen will, ist komplett falsch.
Doch zunächst ziehe ich noch einmal los, um in Simons Café – was für ein passender Name – einen weiteren spektakulären Sonnenuntergang zu erleben.
Am nächsten Morgen wache ich schon 6 Uhr morgens auf . Was für ein Glück, immerhin liegen heute noch 600 Kilometer Landstraße vor mir.
Den Zimmerschlüssel schiebe ich leise hinter den noch geschlossenen Tresen und begebe mich auf die Straße. In Port Fairy – einige Kilometer weiter – gibt es zwar nicht den ersehnten Kaffee, dafür einen schönen Sonnenaufgang.
Das Frühstück gibt es eine Stunde später in Portland. Völlig verwirrt betrachte ich meine Uhr, die Wanduhr in dem Café und die Zeit auf meinem Smartphone. Irgendwas geht hier falsch. Ich frage das Pärchen am Nachbartisch. Nach der Erklärung weiß ich jetzt auch, wieso ich schon 6 Uhr morgens putzmunter war. In Australien wurde die Zeit auf den Winter umgestellt und so bekam ich eine Stunde geschenkt … Muss man ja erstmal wissen …
Den nächsten Stop lege ich am Blue Lake in Mount Gambier ein. 75 Meter tief ist der See, der gleichzeitig ein Trinkwasserreservoir ist. Aus diesem Grund kommt man nicht wirklich an seine Ufer. Das ist aber auch überhaupt nicht nötig, denn seine Faszination strahlt er auch so aus. In den Sommermonaten zeigt er sich in den intensivsten Blautönen. Wissenschaftler vermuten, dass das etwas mit Kalzitkiristallen zu tun hat, die sich in den wärmeren Monaten ausbilden. Warum der See so wunderbar schillert, ist mir eigentlich egal, denn zwischen April und November ist er einfach nur grau. Was bin ich doch für ein Glückskind.
Um die Mittagszeit halte ich in Beachport, um auf der langen Seebrücke das wieder einmal das türkisfarbene Meer zu bestaunen.
Staunen lässt mich auch ein weiterer Vergleich zwischen meiner Armbanduhr und dem Smartphone. Schon wieder eine halbe Stunde Zeitdifferenz. Diesmal komme ich gleich selbst darauf. Ich habe die Grenze zwischen den Bundesstaaten Victoria und South Australia überquert. Mit der neuen Zeitzone gibt es noch einmal dreißig Minuten gratis dazu.
Es ist schon Nachmittag, als ich den Coroong National Park erreiche und ich brauche schon ganz schöne Selbstbeherrschung, um nicht im Motel am zauberhaften Lake Albert einzuchecken.
Am frühen Abend erreiche ich Adelaide und da ich das Auto erst am nächsten Morgen abgeben muss, fahre ich direkt durch nach Glenelg, der historische Badeort zwanzig Autominuten von Adelaide entfernt. Ich gönne mir ein Hotel mit Meerblick und bin froh, endlich angekommen zu sein.
Am nächsten Morgen fahre ich durch das menschenleere Adelaide – Ostermontag lässt grüßen… Gebe in Windeseile mein Auto zurück und spaziere durch die leere Stadt. Tatsächlich zieht es mich zurück ans Meer. Mit der historischen Straßenbahn fahre ich zurück, suche mir ein AirBnB Quartier und beschließe, ein paar Tage hier zu bleiben. Eine grandiose Entscheidung : stundenlange Strandspaziergänge, lesen, schreiben, Hörbuch hören, zum Friseur gehen (endlich), zwei Kilo überflüssiges Gepäck nach Hause schicken … es tut gut, einfach mal so etwas normales zu tun.
Am dritten Tag werde ich schon wieder zapplig und nehme an einer Weintour durch das zauberhafte Barossa Valley teil.
Von der fast toskanischen Landschaft sehen wir nicht wirklich viel. Immerhin stehen vier Weingüter auf dem Programm.
So begleitet mich eine Flasche köstlichsten Cabernet Sauvignon nach Sydney. Tatsächlich kann man auf Inlandflügen Wein im Handgepäck transportieren !!! Und mit der liebenswerten Julie aus Sydney verabrede ich mich zum Dinner in ihrer Stadt.
Viel zu schnell vergehen auch diese Tage bis es weitergeht – nach Sydney, der wohl schönsten Stadt der Welt …
Fortsetzung folgt ….
Sylvia
Einfach irre, diese Vielzahl von Er-Leb-nissen, liebe Yvonne!
Schön, dass du uns per Wort und Bild weiterhin mitnimmst.
Bin gespannt, was du noch von Sydney zu berichten hast und wohin es dich dann verschlägt.
Liebe Grüße aus dem sonnigen Leisnig
Sylvia
Marion
Ich bin ganz begeistert von den Baumhausunterkünften und natürlich den Sonnenuntergängen…..
Liebe Grüße ans Ende der Welt, Marion