Am nächsten Morgen auf dem Weg nach Sigiriya halten wir zunächst am Felsenkloster Aluvihara. Das ist interessant anzusehen, aber irgendwie werde ich jetzt doch tempelmüde.
Als ob mein Fahrer Gedanken lesen könnte, fragt er mich, ob ich Lust auf den Besuch eines Herbal Gardens habe. Natürlich habe ich das – vor meinem bildlichen Auge sehe ich eine Plantage voll Kräutern und Gewürzen und – erlebe eine ausgesprochen lustige Verkaufsshow. Der Inhaber spricht sehr gut deutsch, da er wohl in der Ayurveda-Klinik in Bad Kissingen gearbeitet hat. Wir wandern durch seinen Spice&Herbal Garden. Überall stehen Fläschen mit Mixturen abgefüllt. Gegen alle Krankheiten und sonstige Probleme ist ein ayurvedisches Kraut gewachsen. Sein Liste abarbeitend fragt er meine gesundheitlichen Problemen von Erektionsproblemen (?) bis hin zu Hämorrhoiden ab und ist schwer enttäuscht, dass ich ein durchaus gesunder Mensch bin. Selbst mit seiner Haarentfernungs-creme, nach der angabegemäß nie wieder ein Haar an unerwünschten Stellen nachwächst, kann er mich nicht wirklich begeistern. Am Ende der kleinen Runde kommen wir in einem Vortragsraum an, denn hier werden auch ayurvedische Masseure ausgebildet. Eine seiner Studentinnen bietet mir eine Rückenmassage an und schon sitze ich ohne T-Shirt auf der Schulbank. Während sie mit der Massage beginnt, führt er seine Verkaufsshow weiter, ohne mit den Wimpern zu zucken, dass ich fast oben ohne vor ihm sitze. Die junge Studentin reibt mir Öl in die Haare (wo finde ich nachher auf die Schnelle mein Basecap) und ich entscheide mich zeitgleich für den Kauf einer Aloevera-Creme, die riecht so gut und ein Mittel gegen Mücken (das hätte ich vermutlich für einen Bruchteil des Preises in jeder Pharmazie erhalten), Zimtstangen und Pfefferkörner. Nächste Station Ladengeschäft – Kreditkarte gezückt und schon stehe ich wieder auf der Straße. Mich vor Lachen biegend erzähle ich meinem Fahrer von der Show, der sich nun seinerseits wieder freut, mich so zum Lachen gebracht zu haben. Die kurze Mittagspause in unserem Hotel nutze ich, um mich über die Erfahrungen anderer Besucher über die Felsenfestung Sigiriya zu informieren. Das hätte ich mal besser sein lassen: „Nichts für jemanden, der nicht schwindelfrei ist. Die Geländer sind rostig, der Aufstieg teilweise abenteuerlich“ – lese ich dort und sehe mich schon mit dem Helikopter wieder von dem Palastkomplex abholen oder – erst gar nicht aufsteigen … Wir erreichen den Fuß der Festung am späteren Nachmittag. Das ist gut so, denn die Hitze hat ihren Höhepunkt schon überschritten, auch der Besucheransturm hat schon nachgelassen. Die Geschichte Sigiryas gleicht einem Krimi. Wir gehen zurück in das Jahr 473. König Dhatusena zeugte zwei Söhne, Moggallana und Kassapa, mit zwei Frauen. Kassapa will den Reichtum und die Macht, die seinem Halbbruder später einmal zugestanden hätte, bereits heute für sich und mauert seinen Vater lebendig ein. Sein Halbbruder flieht nach Südindien. Aus Sicherheitsgründen läßt Kassapa auf dem steil aufragenden Monolithen die Festung Sigiriya (Löwenberg) errichten und sein brutales Regime von dort walten. 18 Jahre später gelingt es seinem Halbbruder, die Festung zu stürmen und Kassapa zu vertreiben. Dieser bleibt mit seinem Gefolge im Sumpf steckt und setzt seinem Leben selbst ein Ende. Lange Zeit versank die Festung in die absolute Bedeutungslosigkeit, bis die Briten 1895 auf die Ruinen aufmerksam wurden und die erste Restaurierungsarbeiten begannen. Seit 1982 gehört die Festung dem UNESCO-Weltebe an. Zunächst wandern wir am Fuße des Felsens durch die symmetrisch angelegten Lustgärten, die einst mit Wasserspielen, Teichen und Pavillons aufwarten konnten. Wir steigen die ersten Steinstufen, die noch original erhalten sind, hinauf. Auf etwa halber Höhe des Felses führt eine Wendeltreppe zu den Wolkenmädchen. Von ehemals 500 Porträts sind heute noch 22 Felsenmalereien zu sehen. Die Farben leuchten, als wären die barbusigen Mädchen erst gestern gemalt. Fotografieren ist nicht erlaubt und so speichere ich den bezaubernden Anblick statt auf dem Fotochip in meinem Gedächtnis ab. Von hier aus gelangt man zur Löwenterrasse. Überreste von zwei riesigen Löwenpranken weisen auf den Haupteingang zum Palast hin. Ich sehe die in den Fels geschlagenen Treppen, die fast senkrecht nach oben gehen. Schwindelfrei muss man auf jeden Fall sein.
Kurz wäge ich das Für und Wider mit meinem Fahrer ab, doch letztendlich siegt die Neugier. Konditionell ist der Aufstieg problemlos möglich und staunend stehe ich kurze Zeit später vor den Resten des ehemaligen Palastes. Wir wandern über die Ruinen und lassen unserer Phantasie freien Lauf, Räume entstehen vor unserem bildlichen Augen. Wir bewundern den Königsthron und natürlich vor allem den Aussicht über das weite Land. Mein Fahrer, der inzwischen von meiner Abstiegsangst weiß, beginnt mit der Therapie, läßt mich über alle Mauern klettern, die der Palast so zu bieten hat, ist immer in der Nähe, aber reicht mir nie die Hand. Gar nicht übel. Tief durchatmend trete ich den Abstieg an, die Eisentreppen sind kein Problem, haben sie doch ein Geländer. Schwieriger wird es bei den teilweise sehr hohen Steinstufen, die es zu überwinden gilt. Wieder einmal kann mein Fahrer Gedanken lesen. Eben noch habe ich mich daran erinnert, dass mein Mann mir immer Geschichten erzählt hat, um mich abzulenken, beginnt mein sonst nicht so gesprächige Begleiter alles zu berichten, was er über Sigiriya weiß. Wenige Minuten später haben wir unseren Ausgangspunkt erreicht. Lange noch habe ich das Lächeln auf meinen Lippen und stoße am Abend auf der Terrasse des Hotels direkt mal auf mich selbst an.
Sylvia
Bei uns ist der Himmel heute ziemlich grau und unser kleines Städtchen ist unter einer 25 cm tiefen Schneeschicht verschwunden.
Dein Reisebericht macht, dass mir trotzdem licht und warm zumute wird :))
Danke!