Gerade mal elf Wochen sind vergangen, seitdem die Idee geboren wurde, dass ich einen Teil des Jakobsweg gehen werde und ich kann kaum glauben, dass es jetzt tatsächlich so weit ist – mein Rucksack ist gepackt, die Laufschuhe sind eingelaufen – ich bin bereit für den Weg – meinen Weg.
In drei Stunden startet mein Flugzeug nach Porto, denn mein Weg wird der Camino portugues sein. Ich bin sicher, es ist genau die richtige Strecke für mich, um nach Santiago de Compostela zu pilgern – die ersten Tage am Meer entlang, mit dem mich soviel verbindet, die Tagesetappen zwischen 15 und 33 km Wegstrecke, abwechslungsreich durch kleine Dörfer, Wald und Felder.
Intensiv waren die Wochen der Vorbereitung. Zum einen war da der praktische Teil: wie schwer sind eigentlich 8 kg auf dem Rücken? Was brauch ich wirklich für drei Wochen und worauf kann ich verzichten? Gestern habe ich meinen Rucksack dann zur „Endkontrolle“ zu Tapir getragen. ein unglaublich sympathischer Verkäufer hat mir die Träger richtig eingestellt und gemeinsam haben wir den Inhalt neu gepackt, damit der Rucksack sich wirklich angenehm tragen läßt. Total stolz war ich auf sein Kompliment, dass ich mich tatsächlich auf so wenige Dinge beschränke.
Und irgendwie war das auch in der Vorbereitung nie wirklich ein Problem: mehr als ein T-Shirt und eine Hose pro Tag trägt man nicht und einmal Reserve ist absolut ausreichend. Dafür wiegt dann das Reise-Waschmittel ein paar Gramm mehr.
Natürlich habe ich in den letzten Wochen jede Menge Bücher, Berichte und Blogs zum Jakobsweg gelesen und mich inspirieren lassen. Die Vorfreude stieg von Tag zu Tag und nun wird es Zeit, den eignen Weg zu gehen. Eine Freundin schrieb mir vor einigen Tagen „Deine Reise ist ein tiefer seelischer Prozess und sie beginnt schon lange vorher“ – und genau dies fühle ich auch.
Letzten Samstag kam endlich mein Credential an – der Ausweis, der mich offiziell zur Pilgerin macht. Eigentlich ist er die Eintrittskarte zu den Pilgerherbergen, doch habe ich mich nach langem Überlegen dazu entschlossen, eher die kleinen Pensionen und Hotels auf der Strecke im voraus zu buchen. So habe ich jeden Tag ein festes Ziel im Auge. Damit auch ein bisschen mehr Entspannung – und nicht zu vergessen, eine eigene Steckdose zum laden des Tablets – denn eigentlich möchte ich schon gern regelmäßig wieder hier die Tasten anschlagen und euch davon erzählen, was ich erleben werde in den kommenden drei Wochen.
Ich lasse es langsam beginnen – heute Abend werde ich ein schönes Glas Wein in Porto am Fusse des Flusses Douro trinken und mir morgen die Zeit nehmen, die Stadt zu entdecken.
Am Montag morgen geht es los, die ersten beiden Etappen am Meer entlang, bevor der Weg mich in das Landesinnere Richtung Spanien führt, das ich am Ende der 6. Etappe erreicht haben werde. Weitere 6 Tage später hoffe ich, in Santiago de Compostela anzukommen. Ich bin schon voller Vorfreude auf das Gefühl, endlich vor der Kathedrale zu stehen und mit all den anderen Pilgern, deren Wege aus allen Himmelsrichtungen nach Santiago führen, die Pilgermesse zu erleben.
Wenn man die letzten 100 km zu Fuss nach Santiago gelaufen ist (bei mir werden es zu dem Zeitpunkt – hoffentlich – 240 km sein) und sich dies unterwegs mit Stempeln hat bestätigen lassen, kann man sich seine Compostela abholen. Ich bin mir aber noch gar nicht so sicher, ob ich das wirklich möchte. Im Augenblick fühlt sich das erhalten einer offiziellen Bestätigung nicht wirklich wichtig an.
Nach einem Ruhetag in Santiago werde ich mich noch einmal auf den Weg begeben – 90 Kilometer weiter ans Meer – mit dem Ziel Cap de Finsterre – das Ende der Welt
Und dieses Bild ist es, dass mich trägt – ich sehe mich neben dem Kilometerstein mit der Muschel als Zeichen des Jakobsweges und der Aufschrift 0,0 km stehen, mit dem Gefühl angekommen zu sein. Und ich trage das Urvertrauen in mir, dass genau dies so passiert.
Unglaublich beeindruckt bin ich von all der Unterstützung und der Liebe, die ihr mir alle mit auf dem Weg gebt. Das fühlt sich so grossartig an. Und so laufe ich mit meinen von euch von Herzen gegebenen Dingen los: dem geborgten Rucksack und den Stöcken, dem blauen Shirt, meinem wunderbaren Herz-Glücksbringer, mit James – dem treuen Weggefährten, der am Rucksack hängt, meinem Armband mit dem blauen Stein, dass für mich das Meer symbolisiert, und all den vielen Wünschen, die ihr mir geschrieben und gesagt habt. Ich bin überwältigt und glücklich, dass ich euch alle an meiner Seite weiß – das gibt mir die Sicherheit und das Vertrauen, dass ich meinen Weg finden werde.