Auch heute bin ich für echte Pilger spät dran , 9 Uhr stehe ich bei schönstem Sonnenschein auf der Straße und habe mit 16 Kilometern eine wirklich kurze Etappe vor mir. 

Heute früh habe ich einen Artikel über das Leben gelesen, der mich sehr bewegt hat. 

„Jeden Morgen, wenn wir aufwachen, bekommen wir 86.400 Sekunden Leben für den Tag geschenkt, und wenn wir am Abend einschlafen, wird uns die übrige Zeit nicht gut geschrieben.Was wir an diesem Tag nicht gelebt haben, ist verloren. Gestern ist vergangen. Jeden Morgen beginnt sich das Konto neu zu füllen, aber die Bank kann das Konto auflösen, ohne Vorwarnung.

Also lebe Dein Leben, trage Deine Werte in Dir, lebe dein Leben mit Liebe und gib so viel du kannst anderen davon.“

Und so bin ich total gespannt auf meine heutigen 86.400 Sekunden und offen dafür , alles anzunehmen , was das Leben mir bietet. 


Eine Weile laufe ich allein, bis ich zu zwei Männern vom Niederrhein aufschließe. 

Beide wollten den Weg schon seit langer Zeit gemeinsam laufen und haben den Moment abgewartet , im Ruhestand zu sein. Da die beiden zehn Jahre Altersunterschied trennt , hat das dann auch mal zehn Jahre gedauert, bis beide diesen erreicht hatten.

 Sie sind in einem guten Tempo unterwegs , Egon mit 73 und Norbert 10 Jahre jünger. Nach einer Weile kommt noch Karin aus Frankfurt dazu und wir laufen gemeinsam. Norbert und ich vornweg und so ins Gespräch vertieft , dass Egon immer mal wieder von hinten ruft , wenn wir gerade mal wieder einen gelben Pfeil übersehen haben.


 Die Etappe geht viel zu schnell ihrem Ende entgegen und so machen wir einen kleinen Zwischenhalt kurz vor Redondela. Karin und ich bestellen Kaffee. Die beiden Männer Rotwein – es ist kurz nach 12 Uhr mittags … Der Wein ist gut gekühlt und schmeckt hervorragend und schon können auch wir der Versuchung nicht widerstehen. Und weil es sich so schön sitzt , gibt es gleich noch einen zweiten … 


Eine Stunde später brechen wir wieder auf und erreichen kurze Zeit später Redondela. 

Ich bin noch total fit, verschwinde kurz unter der Dusche und greife die Idee von Norbert auf , dass wir hier sehr nah am Meer sind. Und so laufe ich wieder los, in offenen Schuhen und ohne Gepäck – sozusagen inkognito – und suche den Weg zum Meer oder besser gesagt zur Bucht (bzw Insel) die lustigerweise Simon heißt und ins Meer mündet.


 Ich finde einen sonnigen Platz und freue mich über Nachrichten meiner „Flughafen“-Pilgerinnen. 

Ilka und Mariam haben heute Caldas de Reis erreicht und sind somit mit zwei Tagesetappen leider für mich nicht mehr einholbar 

Die beiden Schwestern aus der Nähe von Stuttgart sind heute in Tui angekommen und damit zwei Etappen hinter mir. Aber auch sie wollen wir ich nach Finisterre – vermutlich aber mit dem Bus – und werden mich Mittwoch der kommenden Woche dort erwarten. Wie ist das schön. 

Und passend zum Moment höre ich noch einmal „Mein Meer“ von Stefan Gwildis heute mit ganz anderen Ohren. 


Zurück im Hotel schreibt Egon , ob wir essen gehen wollen. Ich treffe die Beiden in einem Café zum ersten Rotwein und da ich ja die Eventmanagerin bin, suche ich auch das Restaurant aus. Schade nur, dass das von Tripadvisor empfohlene geschlossen hat und so landen wir irgendwo in der Altstadt , trinken einen zweiten und dritten Wein, essen eine Kleinigkeit und reden über das Leben. Egon wird im Herbst mit einer Gruppe von sieben Männern nach Leipzig kommen. Das Datum steht schon fest und natürlich werde ich mein bestes geben , ihnen die schönsten Ecken meiner Stadt zu zeigen. 

Dieser Jakobsweg …   

Es ist so greifbar nah geworden – Santiago de Compostela