6. Etappe von Rubiaes nach Tui, Spanien 

Ich werde zeitig wach und darf als erste den Frühstückstisch bewundern. Helmut hat für uns 11 Pilger mit viel Liebe ein Frühstück gezaubert, dass mir richtig warm ums Herz wird. 


Eigentlich will ich hier nie wieder weg. Aber der Rucksack ist gepackt und die grenzüberschreitende Etappe wartet auf mich. Der Himmel ist grau , aber es regnet nicht. 

Ich bekomme meinen Stempel in den Credencial und laufe als erste los. 


Der Fahrer , der uns gestern zum Restaurant gebracht hat , zeigte uns den Einstieg zum Camino. Doch heute morgen kann ich diesen auf der Landstraße nicht finden. Schon bin ich versucht , umzukehren , als ein Wanderer aus heiterem Himmel des Weges kommt. Er bestätigt , dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mir entschlüpft ein „hopefully“ und er bestätigt es noch einmal. Oh weh, hatte ich das gerade laut gesagt? Wir laufen eine Weile hintereinander her. Ich frag ihn, wo er herkommt und er antwortet: aus Peru. Völlig verwundert reagiert er darauf , dass ich sage „dann bist du Miguel „. Ich hatte gestern Abend von ihm gehört. Er ist 75 Jahre alt und läuft mit 15 Kilo Gepäck und mit großem Urvertrauen das zweitemal nach Santiago. Leider ist sein Tempo nicht das meine und so lasse ich ihn bald hinter mir. Diese Etappe werde ich allein laufen und sie ist nicht wirklich schön. Der Weg ist steinig und die Landschaft eintönig. Selbst die Fotomotive gehen mir aus oder ich sehe sie heute einfach nicht. Ich bekomme Gelegenheit , steinige Abstiege zu üben – gar nicht so schlecht , zumindest mit Stöcken –  und schlammige und unterspülte Wege zu gehen. 


Ich versuche meine Gedanken in die Richtung der Themen zu lenken , die ich hier auf dem Weg klären möchte , doch zwingen lässt sich nichts. 

Die Achillessehne schmerzt und ich höre über eine lange Zeit nur das klicken meiner eigenen Stöcke. Mir fällt ein, dass ich für einen solchen Moment meine „Camino Playlist “ zusammengestellt habe und stöpsle mir die Kopfhörer ins Ohr. 

Zufällige Wiedergabe – ich lasse es das Universum entscheiden und höre als erstes „Gold von morgen“ und  dann passiert es – jeder wird auf diesem Weg einmal weinen – bei mir ist es jetzt soweit. Die Tränen fließen und Unheilig danach macht es nicht wirklich besser : 

Ich werd‘ an dich denken, wenn ich am Gipfel bin

Ich werd‘ den Himmel anlächeln, auf meinem Weg dorthin.

Meine Schritte sind deine, wie an jedem neuen Tag.Ich lass die Freundschaft leben,und der Himmel ist mir so nah.

Ich würd dir gern so vieles erzählen,wie das Leben so spielt.

So viele Tage der Erinnerung,seitdem du fortgegangen bist.

Immer wenn mir etwas gelingt und mein Glück am Größten ist,sehe ich hinauf zum Himmel,und stell mir vor, dass du bei mir 

Besser wird es erst mit Stefan Gwildis „Mein Meer “ 

„Unendlich weit. Weiter als der Horizont.Unfaßbar reich.Unglaublich schön. Du bist dunkel und auch blond.Deshalb muß ich immer wieder her.Zu dir, mein Meer.“

Dann sehe ich es wieder , dieses Bild mit dem Kilometerstein 0,0 in Finisterre und ich daneben – glücklich. 

So wird es auch Zeit , den Kopfhörer wieder im Rucksack zu verstauen. 

Ein Café am Wegesrand , ein Kaffee und ein Keks und die Gewissheit , gleich in Valença anzukommen. 


Was für ein zauberhaftes Städtchen – dominiert von der Fortaleza, einer nahezu ursprünglich erhaltene Festungsanlage, die an eine Burg in Schottland erinnert. Es macht Spaß , den Ort zu erkunden und Fotos zu machen. 


Der Jakobsweg Richtung Spanien führt direkt durch die Festung. Ich habe den Eindruck , geradewegs in ein Verließ zu wandern und sehe dann doch das Licht am Ende des Tunnels. Ein Zeichen ? 


Schnell erreiche ich die Puente international , die Brücke, die über den Minho führt. 


Auf der Hälfte der Brücke überschreite ich die Grenze von Portugal nach Spanien – Halbzeit auf dem Weg nach Santiago. Ich kann es gar nicht fassen , ein zweitesmal an diesem Tag fließen die Tränen – ich habe Spanien erreicht. 


Das Örtchen Tui liegt auf einem Hügel. Die Kathedrale ist von weitem zu sehen. 


Ich erreiche mein Hotel , werde herzlich begrüßt und habe ein Zimmer mit unglaublichen Ausblick


Zum erstenmal seit Beginn der Wanderung falle ich ungeduscht auf das Bett und schlafe ein. Danach lockt die Badewanne und das Wetter lädt nicht wirklich zum Stadt erkunden ein. 

Trotzdem raffe ich mich auf , der erste spanische Weißwein , den ich im besten Spanisch bestellen möchte , wartet auf mich. Mein Pech , dass die galizische Sprache doch eher dem Portugiesisch gleicht und ich weiterhin leider kein Wort verstehe 

Als ich das Hotel im strömenden Regen verlasse , drückt mir eine Senhora einen Schirm in die Hand. 

Im Restaurant bestelle ich ein Gericht , dass den Namen Simon beinhaltet und bekomme leider etwas undefinierbares. Der Kellner sieht , dass ich es nicht mag und lässt mich etwas anderes aussuchen. Das Universum meint es wirklich gut mit mir. Aber heute kann ich es nicht annehmen. Noch fließen die Tränen. Mögen sie das Leid mitnehmen und die Freude zurückbringen. 

Auf das Leben ! 

PS. Es hat aufgehört zu regnen , als ich mein Hotel erreiche und ich denke an M.B Rosenberg 

 Ziel im Leben ist es, all unser Lachen zu lachen und all unsere Tränen zu weinen. Was auch immer sich uns offenbart, es ist das Leben, das sich darin zeigt, und es ist immer ein Geschenk, sich damit zu verbinden




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  1. Das Licht am Ende des Tunnels – möge es dir scheinen, nachdem du all die Tränen geweint hast, die noch zu weinen waren, damit du dann all das Lachen lachen kannst, das noch nicht gelacht ist ;-)) Bon camino, liebe Yvonne!

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