4. Etappe von Barcelo nach Ponte de Lima

An Cocktail trinken war gestern Abend nicht mehr zu denken. Der Tag steckte in den Knochen und ich recht schnell unter der Bettdecke. Wilde Träume haben mich die Nacht über verfolgt. Sollten das die Anregungen für mein Buch sein, dann wird es wohl ein Horrorroman. Unglaublich , womit sich das Unterbewusstsein so beschäftigt. 

So war ich recht froh, als der Wecker 7 Uhr morgens klingelte und ich wieder in der Realität ankam. Halb acht war ich mit den beiden sympathischen Schwestern verabredet und beim Frühstück tauschten wir uns über unsere diversen Wehwehchen aus. 

Ich war total froh, mich den beiden heute anschließen zu können und so ging es mit Ibuprofen und gut getapt Richtung Ponte de Lima. 

Mit uns auf die Strecke verteilt liefen noch einige andere – zumeist deutsche – Pilger, denen wir immer mal wieder begegnen werden.

Der Weg ist vielseitig. Neben Asphalt und leider auch wieder viel Kopfsteinpflaster führt er uns über Felder mit herrlichem Ausblick. Das Wetter meint es auch heute gut mit uns, die Sonne strahlt vom stahlblauen Himmel. 


Das Mittagessen will hart verdient werden , der Anstieg nach Portela de Lima hat es in sich und ich bin sehr froh, mich nun doch für die Stöcke entschieden zu haben 

Was mir heute während der Etappe gar nicht so bewusst war, den Rucksack auf den Schultern spüre ich fast nicht mehr   

Pause in Portela de Lima. Wir entscheiden uns für ein zeitiges Mittagessen. Vor uns sind schon Frank und Angela da, die auch in unserem Guesthouse übernachtet haben. Der Dialekt kommt mir reichlich bekannt vor und so stell ich die allgegenwärtige Frage “ wo kommt ihr denn her ?“ Was soll ich sagen – aus Leipzig … Ilka aus Wuppertal kommentiere das vorhin per Chat nur mit “ Die Ossis sind eben überall „. Recht hat sie … 


Ein Pärchen aus Hamburg auch aus unserem Guesthouse kommt hinzu. Gefühlt ist derzeit tatsächlich die stärkste Fraktion aus Deutschland auf dem Camino unterwegs. 

Wir essen Franceshino – kleine Französin. Ein Gericht , dass sich alles andere als klein herausstellt. Toast mit Ham, Bacon , Käse und Spiegelei. Und als wäre das noch nicht genug, gibt es jede Menge French Fries dazu. Wir trinken Green – so eine Art Radler und sind pappesatt. 

Es dauert etwas , bis wir wieder in unseren Rhythmus gefunden haben. Und wie immer auf diesem Weg reden wir über sehr persönliche Dinge und ich finde das hier völlig normal und sehr vertraut 


Kurze Zeit später wird klar, der Abschied steht bevor. Die beiden werden in der Casa de Fernanda in Balugaes übernachten , während ich noch nach Ponte de Lima will. Die vorgebuchten Übernachtungen sind Freud und Leid zugleich. Ich hab die beiden echt in mein Herz geschlossen. Wir verabschieden uns auf dem Weg und vielleicht treffen wir uns irgendwo wieder …


Ab morgen werde ichvöllig anderen Pilger begegnen , denn ich überspringe nach 17 Kilometern Wanderung nun 17 Kilometer mit dem Bus. 

Gestern schon gegoogelt weiß ich , dass der viermal am Tag fahrende Bus nach Ponte de Lima um 14:28 abfährt. 

Kurz nach 14:00 Uhr erreiche ich den Ort und die erste Bushaltestelle. Da ich dem Frieden nicht wirklich traue , frage ich in einer kleinen Bar nach. Die Kellnerin erklärt , dies ist nicht die richtige Richtung und schickt mich die Straße runter. Dort gibt es eine weitere Bushaltestelle, aber keinen Bus um 14:28. Andererseits sind wir hier in Portugal, da ist dass mit den Zeiten eher nicht so genau.  Ich gehe in den kleinen Mercado auf der gegenüberliegenden Seite und frage nach. Die kräftige Verkäuferin bringt mich höchstpersönlich um die nächste Ecke. Nichts deutet hier auf eine Bushaltestelle hin, doch 5 Minuten später würde er kommen. 

Die Männer vom Reifendienst direkt hinter mir bestätigen : hier fährt der Bus ab. Aber sie schauen genauso skeptisch wie ich in die erwartetete Richtung.

Ich schicke Stoßgebete zum Universum und werde erhört. Wenige Minuten später fährt der Bus vor. Der Busfahrer antwortet auf mein Bom dia, dass dies am Nachmittag Boa Tarde heißt,  singt später die portugiesischen Schlager aus dem Radio mit und trommelt den Takt auf dem Lenkrad. Ich genieße gerade alles , die Landschaft, den gut gelaunten Busfahrer , die Tage, die noch vor mir liegen und einfach das Leben 

Kurze Zeit später erreichen wir Ponte de Lima. So schnell gehen also 17 Kilometer …. Mit mir steigen zwei junge deutsche Frauen aus , die heute ebenfalls hier Quartier nehmen 

Schnell finde ich das Herrenhaus, in dem ich bereits vorgebucht habe. Die beiden Frauen entscheiden , auch hier zu bleiben. 


Das Zimmer ist klein, aber die Hausherren sehr nett. Wir dürfen unsere Wäsche in der Maschine waschen und im Garten trocknen Das grenzt an Luxus. Der Garten mit Pool überhaupt. 


Ich genieße zwei Stunden auf der Liege und aus Ermangelung meiner noch trocknenden Sachen stopfe ich das Kleidchen in die Wanderhose, um den Ort zu erkunden. 

Zauberhaft ist es hier mit der Brücke und den kleinen Cafés am Fuße des Flusses Lima. Der Ort ist nicht groß , aber hübsch. 


Bald kehre ich in ein Restaurant mit Blick auf den Fluss ein. Es gibt Nudeln – das Universum vergisst nichts. 

Und während ich den Tag im Blog verarbeite , kommen auch die beiden jungen Frauen an. Kurze Zeit später wird mir klar , dass alle Gäste hier Pilger sind und wir uns morgen auf dem Weg wieder treffen werden. Das Paar vor mir am Tisch sogar in der gleichen Unterkunft – unnütz zu erwähnen , das sie aus Deutschland kommen und übrigens auch schon diese Nacht in dem gleichen Herrenhaus übernachten. 

Die beiden jungen Frauen aus dem Bus laden mich an ihren Tisch ein. Sie kommen aus Köln und eine von beiden war schon auf dem Küstenweg nach Santiago unterwegs. Sie zeigt Fotos aus 2014 und sollte ich jemals meine Höhenangst überwinden , wäre das mein nächstes Ziel Der camino kann schon süchtig machen. Davon bin ich mittlerweile überzeugt. 

Der Koch gibt uns einen Wein aus und ich denke einfach nicht nach über die anstrengende Etappe morgen nach Rubiaeus, über prognostizierte 27 Grad und den Wetterwechsel, der ab samstag angesagt ist mit viel Regen. 

Das Leben ist schön – jetzt und hier…. 

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  1. Ach Yvonne, ich sitze hier und lese deinen blog und schaue mir die Bilder an – und es rollen die Tränen. So sehr man auch auf die modernen Medien schimpft – ohne das www wäre es nicht möglich, dir auf deiner Reise soo nah sein zu können. Es ist wunderschön, an deinen Gedanken und deinen Blick-Winkeln teilhaben zu dürfen. Und die Idee mit dem Buch – die beglückt mich natürlich ganz besonders!
    Das Foto mit dem Schatten und das mit dem Glas, in dem sich das Licht fängt – könntest du die vielleicht nach Altenhof mitbringen?
    Weiter einen guten camino und alles Liebe!
    Sylvia

    • Liebe Sylvia , natürlich macht mich ein Lob aus berufenem Munde besonders stolz. Die Fotos bring ich gern mit. Unsere Hausaufgabe , den Text zur Veränderung , der muss noch wachsen. Aber ich habe ja noch Zeit bis Finisterre…
      Liebe Grüße Yvonne

      • Es muss ja kein selbst geschriebener Text sein, liebe Yvonne. Du kannst uns ja auch gern etwas von einem anderen Autor/einer anderen Autorin mitbringen. Aber natürlich will ich deine Kreativität nicht bremsen ;-))
        Weiter einen guten Weg!

  2. Astrid

    Hallo Yvonne, ich ziehe meinen Hut … Es kostet sicherlich jede Menge Überwindung mit Blasen an den Füßen die nächsten Etappen zu laufen. Zum Glück gibt es die vielen netten Begegnungen zwischendurch und die Motivation untereinander. Im Gedanken laufen wir alle mit dank deinem Bericht und der tollen Aufnahmen. Ich drück dir die Daumen für die nächsten Etappen und melde mich jetzt erst einmal nach Irland ab. Mal sehen, wie es so auf der grünen Insel aussieht. Ich wünsche dir weiterhin viele nette Weggefährten und alles Gute. Liebe Grüße, Astrid

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