Heute morgen geht es mir besser als erwartet. Nachdem ich mir an der Rezeption meinen Stempel für den Credencial abgeholt habe, finde ich ein kleines Café für mein Frühstück


und begebe mich anschließend auf den heutigen Weg. Mir kommen zwei Pilger entgegen , deren „Bon Camino „sich sehr deutsch anhört. Sie sind offensichtlich verwundert , dass ich ihnen entgegenkomme und damit eigentlich in die falsche Richtung gehe. Doch zunächst möchte ich mir das Santa Clara Kloster von nahem anschauen , dass großartig über der Stadt thront.

Dieses ist leider verschlossen , imponiert aber auch von außen sehr. Wie ich später nachlese, ist dies heute ein privater Herrensitz.

Bei dem Kloster endet ein vier Kilometer langes, ehemals aus 999 Bögen bestehendes Aquädukt, dass das zweitlängste Portugals ist und sich in der nächsten Stunde immer wieder in Teilstücken beeindruckend vor mir auftut.


Gelbe Pfeile und damit die Wegweiser für meine heutige Etappe haben sich gut versteckt oder sind einfach schlicht nicht zu finden. Das war eigentlich auch vorher klar , da ich heute vom Küstenweg Richtung des traditionellen Weges die Landschaft quere. Allein unterwegs finde ich heute schwer meinen Rhythmus. Da wird hier mal gerüttelt , da mal an den Trägern gezogen und immer wieder auf die Karte geschaut.

Die Strecke ist zu Beginn nicht wirklich schön. Ich beschwere mich beim Universum und erreiche kurze Zeit später Beiriz – ein hübsches aber total stilles Dorf mit einer wunderschönen Dorfkirche.


Mit dem Wunsch, vielleicht hier eine Kerze anzünden zu können – dieser Brauch scheint in Portugal eher unüblich – trete ich ein. Die gesamte Kirche ist mit frischen Blumen geschmückt. Im Kontrast dazu sind die Kerzen hier elektrisch. Ich möchte trotzdem an meinem Ritual festhalten und werfe einen Euro in die dafür vorgesehene Kiste und muss ein Lachen unterdrücken – acht Kerzen beginnen auf einmal zu flackern. Ich bin sicher , derjenige , dem ich die Kerze widme , hätte genauso gelacht.

Wieder in der Sonne verpflastere ich meine erste Blase unter der Sohle zwischen großer Zeh und Ballen und wünsche mir gleich der Österreicherin in Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ ein Geschäfterl, denn ich habe Durst wie eine Bergziege und kein Wasser dabei … Das Universum hört mir zu und schickt Rettung. Die freundliche Dame hinter der Kasse wünscht mir einen „Bom camino“. Ich scheine also noch auf dem richtigen Weg zu sein.

Die Landschaft wird reizvoller. Kleine Ortschaften wechseln sich mit Feldern und einem Eukalyptuswald ab. Der einzige Wermutstropfen ist das durchgängige Kopfsteinpflaster, dass sich durch meine Schuhe bohrt. Ich probiere die Wanderstöcke aus, die bisher nur am Rucksack befestigt waren und kann mich nicht entscheiden, ob ich das nun besser oder schlechter finde.

Worüber denkt man denn so nach , wenn man einsam durch die Landschaft wandert ? Erstmal über alle Zimperlein. Das linke Knie schmerzt. Wieso eigentlich das linke , das rechte ist doch Arthrose diagnostiziert ? Der Rucksack drückt auf den Ischiasnerv und die Schultern. Die Oberschenkel brennen und überhaupt …

Das geht schnell vorbei und ich denke über die Aussage von vielen Gesprächspartnern nach , dass sie toll finde , was ich da mache , es aber niemals allein tun würden. Was mag es für Gründe dafür geben : Angst vor Überfällen , vorm Verlaufen, vorm Schweigen, vor dem mit sich Alleinsein  ? Ilka und Mariam sind einen Kompromiss eingegangen , weil beide den Weg laufen wollten, aber eben nicht allein. Und so sind sie gemeinsam unterwegs . Sie mögen sich , es wird funktionieren , aber wäre auch ich so kompromissbereit?

Ich fand es sehr schön , gestern mit den beiden mitzuwanderen und bin doch froh , mich heute mit mir allein auseinander zu setzen. Was der morgige Tag bringt, wird sich morgen zeigen …

Nach etwas mehr als 16 Kilometern sehe ich Rates am Horizont. Ungefähr zwei Kilometer zuvor sind sie auch wieder da – ganz frische gelbe Pfeile und das Zeichen mit der Jakobsmuschel. An jeder Kreuzung finde ich sie nun, als hätten sie etwas nachzuholen.

Am Ortseingang von Rates steht eine weitere wunderschöne Kirche. Ich raste in ihrem Schatten, gönne meinen Füßen Luft und mir eine kurze Pause , bevor ich endgültig ankomme. Plötzlich erreichen eine Reihe von Pilgern den Ort , wo haben die denn die ganze Zeit gesteckt? – rufen mir ein Ola Pelegrino zu.


Ich erreiche den Hof , in dem ich heute ein Zimmer reserviert habe und klingle an dem großen Tor. Eine Omi öffnet mir. Sie spricht ausschließlich Portugiesisch , das bei mir nach Bom dia und obrigada (Danke) leider aufhört. Irgendwie bekommen wir es aber doch hin. Morgen früh gibt es Kaffee und jetzt geh ich erstmal duschen.

Allein in meinem Reich beginne ich mit der großen Wäsche. Leider tröpfelt das Wasser nur spärlich und die Lampe im Badezimmer gibt den Geist auf. Trotzdem schaffe ich es, meine Wäsche zu waschen und mich zu duschen

Ich ziehe mir mein dünnes Kleidchen und die Sandalen an – die Sonne scheint herrlich , aber der Wind ist kühl. Trotzdem hätten mich keine Hundertschaft nun erneut in meine Wanderschuhe gezwängt.

Ich treffe im Ort einen deutschen Pilger , der mir zeigt , wo sich das Cafe befindet. Zunächst bei Kaffee und einem süßen Teilchen schreibe ich den gestrigen Blog draußen in der Sonne. Den Weißwein gibt es zum Geschreibel von heute….