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Rückreise – Teil 2

Flughafen Frankfurt am Main – warten auf den Anschlussflug nach Leipzig. 
Die letzte Nacht im Hotel , das letzte Frühstück mit Baguette – nach zwanzig Nächten in fremden Betten (hört sich irgendwie zwielichtig an, wie ich finde ) freue ich mich jetzt doch auf mein eigenes Bett und den grünen Smoothie zum Frühstück. 
Nur den heutigen Blick mit der Tasse Kaffee in der Hand auf den Clerigo-Turm, den werde ich vermissen. 


Das letztemal den Rucksack gepackt und an der Rezeption deponiert, denn bis zum Abflug sind noch ein paar Stunden Zeit. 

Es zieht mich zur Kathedrale, in der ich meinen ersten Stempel in den Credencial erhielt und an die Stelle , an der ich die erste Markierung Richtung Santiago fand. 

Ich denke an all meine tollen Wegbegleiter , an Kopfsteinpflaster in Portugal, an wunderschöne Landschaften, an den tiefschwarzen Tag auf dem Weg nach Tui, an meinen Flow-Regentag, an das Glücksgefühl , auf dem Weg nach Finisterre das erstemal wieder das Meer am Horizont zu sehen. Ich kann all die vielen Emotionen gar nicht aufzählen, die mich auf dem Camino bewegt haben. 

Nicht alle Fragen, die ich mit auf den Weg genommen habe , konnte ich beantworten Erste Impulse sind gesetzt. Jetzt liegt es an mir, sie umzusetzen. 

In meine Gedanken an der Kathedrale mischt sich immer wieder das Gelächter eines Pfälzer Herrenausfluges. Erst stören sie mich, aber dann finde ich es doch ganz gut , nicht allzu sehr in die tiefsinnigsten Grübeleien abzutauchen. Der Camino war und ist vor allem Leben. 

Ein Franzose spricht mich an. Er hat die Muschel an meiner Halskette gesehen und will wissen, ob ich den camino gelaufen bin. Stolz bejahe ich es und geh lächelnd in die Stadt zurück. 

Porto ist einfach wirklich nur schön – bunt, offen , trubelig. 


Die Metrostation zum Flughafen liegt etwas entfernt, meine letzte kleine Wanderung. Die U Bahn fährt in dem Moment in den Bahnhof ein, als ich den Bahnsteig betrete. Langsam wird mir das unheimlich. 

Das Flugzeug aus Porto landet pünktlich in Frankfurt. Noch Zeit für einen letzten Wein und ein paar Gedanken, bevor ich zu Hause ankomme … 

Mein Camino

Auf den Steinen vor der Kathedrale Portos sitzend, erinnere ich mich an die hinter mir liegenden Tage – fühle Glück und Trauer, Stolz und Demut. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich denke darüber nach , was der Camino für mich bedeutet. 

Am 16 Mai 2016 setzte ich den ersten Schritt auf den Weg nach Santiago de Compostela und fühlte vom ersten gelben Pfeil an der Kathedrale in Porto die Mystik dieses Weges. 


Es sind vor allem die Begegnungen mit den Menschen, der ihn so einzigartig macht. Der intensive Austausch der Pilger aus den verschiedensten Ländern dieser Welt und der damit verbundene Frieden ist hier so leicht. Alle Nationen eint ein Ziel : Santiago de Compostela. 


Es sind Seelenverwandte, die ich auf dem Weg traf. Mit denen ich über meine innersten Wünsche, meine schönsten Träume und meine größten Ängste sprach. Wir teilten miteinander Freude und Leid, Sonne und Regen und manchmal auch nur ein Tape oder ein Pflaster.  

In zwölf Tagesetappen von Porto nach Santiago de Compostela habe ich alle Facetten meiner Gefühlswelt erlebt, habe mein Lachen gelacht und meine Tränen geweint. Aber der Camino lies mich dabei nie allein und führte mich sicher vorwärts, meinem Ziel entgegen   


Der Camino gab mir Anregungen, aber nahm mir die Antworten auf meine Fragen nicht ab. Ich lernte, wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden, mich auf mich selbst zu konzentrieren und auf meine innere Stimme zu hören. 


Er brachte mich an meine körperlichen und seelischen Grenzen , aber nie darüber hinaus. Schenkte mir glückliche Momente, Vertrauen in meine eigene Kraft und Stärke. 

Ich lernte, den Regen zu lieben und genoss die Sonnenstrahlen


Trotz aller Blasen und Schmerzen lief ich jeden Tag weiter, atmete tief und frei. 

Meine Schritte bestimmten den Rhythmus, das Klappern der Wanderstöcke war meine Meditation. Die Schönheit der Landschaften meine Kathedrale. 


Ich bin ganz sicher, Camino – ich kehre zurück zu dir. 

Der Pilgerweg beginnt vor deiner Haustür 

Mehr als vier Wochen sind bereits vergangen, seitdem ich von meiner Pilgerreise von Porto nach Santiago de Compostela zurückgekehrt bin. Viel zu schnell hat mich der Alltag wieder gefangen genommen, doch die tiefe innere Ruhe und die Kraft, die mir der Weg gegeben hat, ist geblieben. Rückblickend war es genau die richtige Zeit, mich auf diesen Weg und damit verbunden in mein Innerstes „Ich“ zu begeben.

Die Tage jetzt sind von Veränderung geprägt und es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man dem Leben vertrauen kann und seine Ziele erreicht, wenn man es wirklich will.

Süchtig gemacht hat mich dieser Weg, das war schon klar, bevor ich überhaupt angekommen war. Damit befinde ich mich in guter Gesellschaft mit all den Pilgern, denen ich auf dem Weg begegnet bin, die schon mehrfach unterwegs waren oder es wieder tun werden. Es gibt so viele verschiedene Wege, sich Santiago zu nähern. Der einfachste Weg ist, vor der eigenen Haustür zu beginnen.

Bei meiner Recherche wurde ich sehr schnell fündig. Die mittelalterliche Via Regia durchzog einst den gesamten mitteldeutschen Raum. Als wichtigste europäische Fernstraße führte sie auch durch Leipzig, einen der bedeutendsten Messeplätze dieser Zeit. Aufzeichnungen belegen Pilgerreisen von hier nach Santiago de Compostela. Dem ökumenischen Pilgerweg e.V. ist es zu verdanken, dass der rund 450 Kilometer lange Teil der Via Regia von Görlitz bis nach Vacha an der thüringische-hessischen Grenze wiederbelebt wurde und heute als Ökumenischer Pilgerweg ausgewiesen ist.

Von der Haustür an also – ein schöner Gedanke, den ich diesmal gern teilen möchte.

Denn klar ist, dass die 2454 Kilometer von Leipzig bis nach Santiago nur in Etappen zurückzulegen sind.


Und so teilte ich zunächst die Strecke von Leipzig nach Erfurt über 130 Kilometer in Sonntags-Tagesetappen auf und überraschte meine Schwester mit einem Pilgerausweis und dem liebevoll gestalteten Pilgerführer des ökumenischen Pilgerweg e.V.

Es war total schön zu sehen, wie sehr sie sich über diese Idee freute. Die Termine standen fest. Die Reise nach Santiago konnte beginnen.

1 Etappe von Leipzig nach Kleinliebenau – 10. Juli 2016

Zeitig am Morgen – die Sonne gibt uns schon einen kleinen Vorgeschmack auf den heißen Tag, der vor uns liegt – beginnt unsere Wanderung an der Nikolaikirche in Leipzigs Innenstadt.


Da kurze Zeit später der Sonntagsgottesdienst stattfinden wird, haben wir das große Glück in der Kirche den Küster anzutreffen, der uns in unsere noch schneeweißen Pilgerpässe den ersten Stempel drückt. Überrascht sind wir dann aber schon, dass nach Aussage des Küsters tatsächlich täglich Pilger die Kirche besuchen. Der Pilgerweg beginnt vor der Haustür – gelebte Praxis.

Weiter geht es zur Thomaskirche und man könnte fast vermuten, die wohlklingenden Kirchenglocken läuten, um uns gut auf den Weg zu bringen.

Die Innenstadt ist schnell verlassen. Im Rosenthalpark entdecken wir das erstmal die gelbe Muschel, die uns den Weg weist und uns von nun an stetig begleiten wird.


Ein bisschen unsicher an einer Abzweigung befragen wir einen Radfahrer nach der Richtung zur Domholzschänke, unserem Ziel für die Mittagsrast.

Deutlich überrascht weist er uns den Weg, nicht ohne zu erwähnen, dass diese doch recht weit entfernt sei. Lachend bestätigen wir ihm, dass wir die Entfernung kennen und nicht ohne ein wenig Stolz zeige ich ihm unseren Pilgerführer.


Fast allein sind wir an diesem heißen Sonntagvormittag auf dem Luppedamm. Vereinzelt überholen uns Radfahrer. Auf der anderen Flusseite blöken Schafe im Chor. Idyllisch ist es hier und kaum zu glauben, wie nah wir trotzdem noch der Grosstadt sind.


Die Gesprächsthemen gehen uns nicht aus. Viele Themen bewegen uns und wir stellen einmal mehr fest, dass mit dem Gehen auch die Gedanken in Gang kommen. Pläne werden geschmiedet, Entscheidungen abgewogen und meine Zuversicht wächst, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.

Wir genießen die Landschaft, die Ruhe und den Weg – kommen gut voran und erreichen zur Mittagszeit die Domholzschänke. Das bereits 1928 eröffnete traditionelle Ausflugslokal ist idyllisch mitten im Wald gelegen und gut besucht. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen, genießen ein kühles Getränk, stärken uns mit Pilzrührei und verlassen das Gasthaus mit dem nun schon zweiten Stempel in unserem Pilgerausweis.

Überrascht stellen wir fest, dass uns nur noch gut 2 Kilometer von unserem Tagesziel trennen. Viel zu schnell sind wir in Kleinliebenau angekommen.

An der Rittergutskirche werden wir herzlich begrüßt. Der Kultur- und Pilgerverein Kleinliebenau e.V. richtet heute hier ein Jazzkonzert aus.
Sofort kommen wir mit der Organisatorin ins Gespräch, die uns im Inneren der kleinen barocken Kirche die Geschichte dazu erzählt. Ursprünglich zum Rittergut Kleinliebenau gehörend, gelangte die Kirche mit der Bodenreform in kommunales Eigentum und war lange Jahre geschlossen. Im Jahre 2005 kaufte der Leipziger Religionslehrer Henrik Mroska die Kirche für einen symbolischen Euro und übernahm die Verpflichtung, diese denkmalgerecht zu sanieren. Im gleichen Jahr wurde der Kultur – und Pilgerverein Kleinliebenau gegründet , Stück für Stück wird dieses Kleinod nun restauriert und es kehrte wieder kulturelles und gottesdienstliches Leben ein. Da die Kirche am Ökumenischen Pilgerweg liegt, wurde dazu eine kleine Pilgerherberge eingerichtet.

Froh ist die Pilgermutter trotzdem, dass wir nicht übernachten wollen, denn für heute hat sich eine Gruppe von 16 Pilgern angemeldet, die im Kircheninnenraum übernachten werden. Auf unsere Frage, wie oft denn Kleinliebenau von Pilgern besucht wird, holt sie stolz das Gästebuch hervor . Liebevolle Einträge von Pilgern aus allen deutschen Himmelsrichtungen und sogar von Holländern sind darin nachzulesen.

Schnell noch ein Foto von uns beiden vor der hübschen Kirche, den dritten Stempel in die Pilgerpässe und schon kommen die Musiker, die ihren Auftritt vorbereiten wollen und wir verabschieden uns herzlich.

Kurze Zeit später werden wir mit dem Auto abgeholt, denn der öffentliche Nahverkehr ist hier leider nicht so ausgeprägt. Verschwitzt aber glücklich kommen wir zu Hause an und freuen uns schon auf die nächste Etappe in zwei Wochen.

Santiago – wir sind auf dem Weg zu dir.

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