13. Etappe von Santiago de Compostela nach Negreira 

Auf diesen doch eher eigenartigen Ruhetag folgt eine anstrengende Nacht. Die jungen Gäste des Pubs gegenüber vom Hotel sind der Meinung , sie müssten bis morgens halb vier laut singen. An Schlaf also kaum zu denken , bis mir erst zu diesem Zeitpunkt einfällt, dass ich Ohrstöpsel in meinem Rucksack habe … 
Passend zur Nacht ein regnerischer Morgen und dazu ein schlechtgelaunter Kellner beim Hotelfrühstück. Der Tag konnte nur besser werden. 

Eingehüllt in meine Ganzkörper-Regenbekleidung und dem Fünf-Lagen-Look – in manchen Dingen ist meine Lernkurve wirklich sehr niedrig –  stehe ich pünktlich auf dem Platz vor der Kathedrale und während ich auf meine irischen Freundinnen Carmel und May warte, formiert sich gerade eine große Gruppe von Pilgern zu Pferde auf dem Platz. Was für ein grandioser Anblick. Leider ist der Regen zu heftig , um ein Foto zu machen. 

Gemeinsam starten wir in Richtung Atlantik   Schon nach wenigen Metern hörte der Regen auf und es ist einfach schön, wieder zu laufen. 


Entgegen meiner Befürchtung ist auch der Weg nach Finisterre gut markiert. Nach dem ersten Anstieg werfen wir einen letzten Blick zurück auf die Kathedrale. 


Der Weg aus der Stadt heraus ist sehr schön. Erst ein Stadtwald und dann Wiesen und Felder soweit das Auge reicht. Bald schon wandelt sich der graue Himmel in blau. Das sollte auch den ganzen Tag so bleiben und so werfe ich jede Stunde eine meiner fünf Lagen ab ( es blieben zwei ) 


Wenige Wanderer sind auf diesem Weg. Die meisten nehmen den Bus , wenn sie nach Finisterre wollen. Wir treffen lediglich beim Kaffee ein junges deutsches Ehepaar , die mit ihrem kleinen Hund schon auf dem Camino Français unterwegs waren. 

Der Weg heute ist landschaftlich wirklich schön. Dem tut auch der sich vor uns auftuende Berg mit über 400 Höhenmetern keinen Abbruch. Erstaunlich wie schnell sich die Kondition verbessert. 

Wir sprechen über jedes und alles. Mittlerweile denke ich beim Gespräch auch englisch – großartig. 

5 Kilometer vor unserem Tagesziel halten wir an für ein kleines spätes Mittagessen. Zu uns setzt sich eine Engländerin aus Canterbury , die ihre Wurzeln in Hamburg hat. Wir reden über das geteilte Deutschland und die Wiedervereinigung. Das wir in Berlin zwei Sprachen gesprochen haben , ist mir zwar neu , aber ihre Form der Wahrnehmung. 


Anschließend folgt der schönste Teil der heutigen Wanderung entlang an einem Fluss. Carmel , die schon den Camino Français gelaufen ist , berichtet , dass ein Großteil des Weges dort auch so schön sei. Ich fürchte nur, er ist einfach zu überlaufen. Wir werden sehen, denn natürlich bin auch ich – wie alle Pilger vor mir – infiziert von diesem Weg und plane in Gedanken schon den nächsten. Auch wenn ich überzeugt davon bin, dass es keinen schöneren gibt , als den Camino Portuguese. 


Es ist schon nach fünf Uhr als wir das heutige Etappenziel erreichen. Wir sind überrascht , Negreira ist eher eine Kleinstadt als ein Dorf. Carmel und May übernachten in der Herberge und so heißt es, sich von den letzten beiden meiner Bergetappen-Gruppe zu verabschieden. Alle anderen sind schon auf dem Weg nach Hause. Und da ich ja morgen eine Etappe überspringe, gilt es , neue Bekanntschaften zu machen. Und natürlich freue ich mich total , in Finisterre Nadja und Jessica wieder zu treffen. Vertraute Gesichter – herrlich. 

Meine heutige Unterkunft liegt etwas außerhalb. Der Eigentümer bietet an, die Gäste mit dem Auto in der Stadt aufzupicken. Es sind nur knapp zwei Kilometer bis zu dem Haus, die schaffe ich bequem noch zu Fuß. 

Ich erreiche das Gästehaus und damit den Himmel. Der Eigentümer ist ein spanischer Helmut – ihr erinnert euch an den deutschen Aussteiger mit seiner Pension in Rubiaes – und weiß , was Pilgerherzen erfreut. Das alte Backsteinhaus ist mit viel Liebe eingerichtet. Die Getränke im Kühlschrank im Preis inbegriffen. Es gibt eine Waschmaschine und einen Trockner – die fast wichtigsten Dinge überhaupt. 


Nach einer Dusche werfe ich die Klamotten in die Waschmaschine, mache es mir auf der Terrasse bequem , erhalte ein Bier und einen Repeater, um auch hier draußen Internet nutzen zu können. 

Er bietet mir an , mich in die Stadt zurück zufahren , damit ich essen gehen kann oder etwas beim Italiener zu bestellen. Ich entscheide mich für letzteres , genieße Nudeln in der Stille des Abends und empfinde einfach nur – GLÜCK 

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  1. Kristin

    Meine Tante Yvonne, so habe ich Dich nicht in Erinnerung, als ich Dich noch regelmäßig als junges Mädchen getroffen habe. 🙂 Beim Lesen Deiner Berichte schauert es mich immer wieder, weil es so ins Herz geht. Ich bewundere Deinen Mut. Loszulassen und zu vertrauen…
    Ich freue mich sehr auf ein Wiedersehen mit Dir!

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