Der Morgen dämmert noch , als ich heute aufstehe. 


Der Bus nach Santiago startet früh. Daher ist an Frühstück nicht zu denken. Ein paar Nüsse und ein Wasser später auf der Fahrt müssen es richten. Die Traube an Menschen wird immer größer und irgendwann ist klar , dass wir nicht alle in den Bus passen werden. Als dieser dann an der Station hält,setzt ein drängeln und schieben ein, als ginge es um das eigene Leben. , obwohl auch schnell klar wird  dass der Busfahrer bereits einen zweiten Bus geordet hat. Den großen Vorteil , den wir genießen, ist allerdings , dass wir ohne weiteren Halt nach Santiago fahren

Schneller als gedacht erreichen wir unser Ziel. Dort angekommen stürzen sich alle auf die Rucksäcke im Gepäckraum , als gäbe es kein Morgen mehr. Es sind fast alles Pilger und ich frage mich, wo ist die innere Ruhe geblieben. 

Auf dem Busbahnhof sehe ich von weitem Miguel, der sehr fokussiert scheint. Ich spreche ihn nicht an, unsere gemeinsame Zeit ist  vorbei. Vielleicht sehen wir uns in Boston wieder. 

Mir bleiben zwei Stunden bis zur Weiterfahrt nach Porto. Ich entscheide mich , die Zeit zu nutzen , um noch einmal in die Altstadt zur Kathedrale zu laufen. Es ist noch früh, die Sonne scheint, aber es ist kalt. Noch wenige Menschen sind auf den Straßen unterwegs. Auf dem Platz vor der Kathedrale gratuliert mir ein Mann zur Ankunft in Santiago. Ich widerspreche ihm nicht. 

Zielgerichtet gehe ich zu dem kleinen Café , in dem ich bereits einmal gefrühstückt habe, bestelle Kaffee und Churros. Gedankenverloren schaue ich aus dem Fenster und bin sicher , dass nun die „nächste “ Generation an Pilgern in der Stadt ist , von denen ich keinen mehr kennen werde. Doch schon lächelt mich von draußen ein bekanntes Gesicht an. Sabine , die mit dem Spanier Manuel auf dem Camino unterwegs war , verbringt ihre letzten Stunden vor Abflug noch hier. Manuel und sie waren auch in Finisterre und in Murxia und haben sich heute getrennt. Es ist schön, noch einmal ein bekanntes Gesicht zu sehen. Doch bald schon ist es Zeit für mich , zum Bus zu gehen und wir verabschieden uns. 

Ich laufe noch einmal über den Platz vor der Kathedrale. Die ersten Pilger sind angekommen , ich sehe das Glück und die Erschöpfung in ihren Augen und bin ganz bei ihnen. 


Pünktlich startet der Bus nach Porto. 

Es ist ein eigenartiges Gefühl so zwischen den Welten, eben noch Pilger – nun auf dem Weg zurück in den Alltag. Einen Teil der Orte, die ich durchwandert bin, streift auch der Bus. Ich bin schon ein wenig erstaunt, was ich tatsächlich an Kilometern gelaufen bin – die Strecke entspricht ungefähr der Entfernung zwischen Leipzig und Rostock. 

Nach gut vier Stunden erreichen wir Porto. Der Busbahnhof liegt etwas außerhalb des Zentrums. Ich beschließe, den Weg zu Fuß zu gehen. Knapp 4 Kilometer hören sich nach nichts an. In den nächsten Tagen werde ich hier wieder eine Relation finden müssen. 

Bald erreiche ich den Teil Portos, den ich schon kenne und fühle mich fast ein wenig heimisch. Im Hotel werde ich mit einem Glas Portwein begrüßt. Das ist sehr aufmerksam, doch ich habe außer den Churros zum Frühstück noch nichts gegessen und sollte eher vorsichtig sein. 

Lange hält es mich auch heute nicht im Zimmer und so spaziere ich los. Die Highlights habe ich schon zu Beginn meiner Reise absolviert und so kann ich mich treiben lassen. Natürlich lande ich wieder am Ufer des Flusses Duoro , höre den Straßenmusikern zu und trinke ein Glas Vino Verdhe auf das Leben.  



Mir ist eigenartig zumute , glücklich und stolz , traurig und leer. Von allen eine bunte Mischung und wohl auch ein wenig erschöpft. 

Einen weiten Bogen schlagend streife ich noch einmal die bekannten Orte und beschließe dann , zum Abendessen zu gehen. Von der Managerin des Studios von meinem ersten Aufenthalt habe ich noch eine Visitenkarte eines empfohlenen Restaurants in der Tasche. Das ist nah an meinem Hotel und ich mache mich auf den Weg. Und dann schlägt der Kreislauf hammerhart zu. Wenig gegessen und darauf den Wein, merke ich, wie mir schwindlig wird. Ich überlege kurz, was auf meinem Nothilfepass steht und ob die, die mich auf der Straße finden , mich ins Hotel bringen. Soweit kommt es Gottseidank nicht. Ich erreiche das Restaurant , bestelle erstmal Wasser und hoffe, dass schnell der Brotkorb serviert wird. Wird er auch und ich erhole mich bald darauf 

Der Kellner fragt nach dem camino und ich frage mich, wie fertig ich aussehen muss, wenn man mir das schon so ansieht. Immerhin sitze ich hier in offenen Schuhen , ach und ja natürlich in meinem camino de santiago Sweatshirt. Der Kellner gratuliert mir zu meiner Leistung und ich weiß gar nicht so recht wozu eigentlich  

 Das Essen ist gut,  am Nachbartisch sitzt ein australisches Ehepaar und wir kommen schnell ins Gespräch. Das funktioniert also auch ohne Camino.  

Ich spaziere den kurzen Weg zu meinem Hotel zurück , höre noch eine weile dem Straßenmusiker vor dem Eingang zu, bevor ich im Hotel verschwinde. 

Hier gibt es eine wunderbare Dachterasse mit Blick auf die Kathedrale. Ich hol mir eine Decke und einen Wein und schau zu dem Ort , wo alles begann …