14. Etappe von Olveiroa nach Cee

 Um es vorwegzunehmen , ich sitze an der Hotelbar meines Hotels in Cee und habe einen der schönsten Tage auf dem Camino erlebt. 

Das Frühstück in meinem Guesthouse – von der Mama des Eigentümers vorbereitet – ist genauso liebevoll wie alles zuvor. Es gibt ein Gebäck , das schmeckt wie bei meiner lange verstorbenen Großmutter – großartig. 


Mit dem Eigentümer habe ich vereinbart , dass er mich 40 Kilometer weiter nach Oliveiras fährt, wenn er die anderen Gäste auf den Camino zurückgebracht hat. So warte ich entspannt und gegen halb zehn fahren wir los. In Negreira regnet es in Strömen. So hab ich wieder meine ganze Regenmontur an und stelle mich auf einen Regentag allein mit mir und großem Respekt vor einem 700 Höhenmeter Abstieg zum Meer ein

Auf der Fahrt unterhalten wir uns gut. Ich frage nach seinem englisch, was in Spanien eher ungewöhnlich ist. Er erklärt mir, dass Fremdsprachen in der Schule wenig gefördert werden und er sich englisch im Internet und über Skype angeeignet hat. 

Er findet die Idee , dass ich die lange Etappe überspringe, großartig. Die Etappe gestern und meine heutige sind sehr abwechslungsreich , die dazwischen eher langweilig. Aber : ich soll diese Extrafahrt nicht über Booking.com publik machen , nicht das dies in Mode kommt…

Als er mich am Jakobsweg in Olveiroa verabschiedet, wechselt der Himmel seine Farbe von grau ins blau. Der Regen liegt hinter mir.


 Ich laufe los und keine Viertelstunde später entscheide ich mich , meine Regenhose und eine meiner heute nur vier !!! Lagen in den Rucksack zu packen. Neben mir hält ein Pilger an und wir kommen sofort ins Gespräch. Kurze Zeit später schließt seine Frau auf. Es sind Colette und Toni aus Cork in Irland. Verrückt nach meiner gestrigen Etappe mit Carmel und May ebenfalls aus Irland. Wir gehen gemeinsam weiter und lachen unglaublich viel. Toni ist bei der Armee für Topografie zuständig. Verlaufen ist heute keine Gefahr. Colette ist Krankenschwester. Beide sind schon viel gereist und wissen davon schön zu erzählen Toni hat dazu unendlich viel Phantasie. Hinter jedem Stein gibt es ein Monster oder eine andere Geschichte. 


Es sind wenig Pilger unterwegs. Toni weiß zu berichten , dass nur fünf Prozent aller Pilger bis nach Finisterre laufen. Ich genieße die Ruhe und die Landschaft. 


Wir trinken unterwegs einen Kaffee. Erfahren , dass bis ins 15 Kilometer entfernte Cee keine weitere Einkehr möglich ist und nehmen uns Bocadilos für ein Picknick mit. 

Kurze Zeit später erreichen wir eine kleine Kapelle. Dort haben Pilger aus aller Welt kleine Zettel hinterlassen. Von dem mich am meisten bewegendsten habe ich ein Foto gemacht:


Das Wetter ist herrlich. Die grauen Wolken liegen hinter uns. Die Landschaft ist großartig – Ginster und Erika tupfen Farbe in den grünen Wald. Toni verspricht hinter jeder Biegung einen flachen Abschnitt , doch der Bergrücken zieht sich. 


Später picknen wir an einer Heilquelle und dann ist es soweit. Wir sehen am Horizont das erstemal das Meer. Mir entfährt ein kleiner Aufschrei Der Anblick ist unbeschreiblich schön. Das Meer ist meine Kathedrale !!!


Am nächsten Kilometerstein ist es aufgeschrieben ; hier geht es zum Ende der Welt. Ich bin einfach nur glücklich.  


Von da an geht es abwärts. Toni hat mir meine Wanderstöcke neu eingestellt. Die Länge und die Schlaufen neu gerichtet , die Füßchen gedreht. Colette zeigt mir , wie man am besten im Zickzack den Berg runterläuft. Und immer wieder halten wir an, um die unbeschreibliche Aussicht zu genießen. 


Am späten Nachmittag in Cee angekommen , trinken wir noch ein Bier gemeinsam. Colette schlägt vor , dass wir später gemeinsam zu Abend essen und ich nehme gern an. 

Die Rezeptionistin in meinem Hotel ist Schweizerin und spricht deutsch. Fast ein bisschen ungewöhnlich nach all dem Portugiesisch , Spanisch und englisch. 

Nadja und Jessica haben bereits in Finisterre in „unserem“ Hotel eingecheckt und schicken Fotos  vom Ausblick , die wie von den Malediven anmuten  

Norbert und Egon sind auch heute in Finisterre angekommen und senden Bilder vom Kilometerstein 0,0 – dem Ziel meiner Träume. Sie fahren morgen Nachmittag zurück nach Santiago. So werden wir uns morgen Mittag noch sehen und verabschieden können. 

Carmel schickt Regenbilder vom heutigen Tag und der Etappe , die ich ausgelassen habe. Was für ein Glück ich habe. 

Colette schreibt , dass sie jetzt auf dem Weg sind , wir treffen uns in einem Restaurant der Einheimischen und essen lauter ungesunde Sachen. Sie loben mein Englisch , was mir mittlerweile so vertraut ist und wir genießen den gemeinsamen Abend. 

Ein letzter Kaffee und ein cupcake vom Geschäft über die Straße und ich verabschiede mich von den Beiden. 

Nun sitze ich hier und tippe meinen Tag und kann das viele Glück kaum fassen. 

Für morgen bestelle ich beim Universum eine Wanderung ganz für mich allein. Der Weg will verarbeitet werden 

Ich freu mich unbändig auf das Wiedersehen mit meinen Freunden vom camino und auf das Ende der Welt , das für mich ein neuer Anfang ist 

DAS LEBEN IST SCHÖN!!!

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  1. Das Glück und die Begeisterung über das, was sich deinen Sinnen und deinem Herzen auf dieser Reise bietet, springt regelrecht auf mich über, wenn ich deine Beschreibungen lese und die Bilder anschaue. Das Meer ist deine Kathedrale. Ich habe gestern Abend bei einer kleinen Wanderung im Muldental gerade wieder gedacht: Der Wald ist meine Kathedrale. Ja, es gibt wohl für jeden von uns Orte, die unser Seele besonders berühren.
    Dann viel Genuss noch auf dem Weg „ans Ende der Welt“!
    Liebe Grüße von deiner Sylvia

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