Santiago de Compostela – Ruhetag

Gegen acht Uhr wache ich auf – draußen gießt es in Strömen und ich bin froh , heute nicht laufen zu müssen. 
Ich erinnere mich daran , dass die Schlange morgens im Pilgerbüro nicht so lang sein soll und beeile mich, um mich schnell auf den Weg dorthin zu begeben. 

Die Straßen sind wie leergefegt , doch am Pilgerbüro tobt schon heftiges Leben. Ich entdecke Emmet und Gon in der Schlange, stelle mich aber doch brav hinten an. Über eine Stunde Wartezeit liegt vor mir, die ich mit dem schreiben des gestrigen Berichtes überbrücke. Dann lege ich meinen Credencial zur kritischen Prüfung vor, gebe den Grund der Pilgerschaft an und erhalte neben der Compostela noch die Bestätigung über die 260 Kilometer zurückgelegte Strecke. 

Der Regen lässt nicht nach und so suche ich mir ein Café für ein gutes Frühstück. Über zwei Stunden verbringe ich hier – der gestrige Bericht ist lang – bis ich mich auf den Weg mache, Santiago zu erkunden. Die Altstadt ist größer als gedacht und auch wirklich schön. Doch Fotos im Regen gelingen nicht wirklich. Ich erinnere mich an Gons Worte, dass ich mir heute etwas besonderes kaufen soll. Und wie kann es anders sein , die Elster in mir entscheidet sich für einen silbernen Muschelanhänger, der perfekt an meine Kette passt und mich immer an den Camino erinnern wird. 

Es ist kalt , also muss auch noch ein Sweater mit der Aufschrift „Camino de Santiago – you never walk alone“ mit. 

Exakt den gleiche Sweater mit anderer Aufschrift gab es schon in schwarz in New York und in blau in San Francisco. 

Soviel zum Thema, ich beschränke mich auf das wesentliche. Heute aber hält er mich warm und wie ich ihn morgen in meinen Rucksack gestopft bekomme, ist mein Problem von morgen. 


Durchgefroren laufe ich zum Hotel zurück. Komischer Tag so ein Ruhetag. Ich plane meine Wanderung nach Finisterre und meine Rückreise neu. Das erste Teilstück morgen laufe ich, dann fahre ich am nächsten morgen 33 Kilometer mit dem Bus , überspringe damit eine Etappe. Bin bereits Dienstag in Finisterre und genieße den kompletten Mittwoch am Meer, fahre Donnerstag mit dem Bus zurück nach Santiago und statt dort zu bleiben ,buche ich mein Busticket von Freitag auf Donnerstag um und fahre direkt weiter nach Porto. Noch eine Nacht in der Stadt , in der alles begann. So der Plan … 

Ich laufe zum galizischen Tourismusbüro, um zu erfahren , dass es keinen Bus zwischen erster und zweiter Etappe gibt. Zur wetterbedingten Depriphase mischt sich etwas Verzweiflung. Von Google Maps lasse ich mich zum Busbahnhof leiten , ich glaub , komplizierter kann man den Weg dahin nicht gestalten. 

Der Mann im Servicebüro der Gesellschaft , die den Bus von Finisterre nach Santiago bedient, versteht meine Frage nicht , wie lang die Busfahrt dauert. Dies ist aber wichtig , um zu wissen, ob ich den Anschluss nach Porto schaffe. 

Leicht entnervt wechsle ich zur Busgesellschaft, die die Strecke von Santiago nach Porto fährt. Der Schalter ist nicht besetzt. Servicezeiten nur am Vormittag. Ich bin der Verzweiflung nah. Ein Angestellter des Busbahnhofes sieht meine Not und schon öffnet sich der Schalter. Ich erfahre , wie lange der Bus von Finisterre nach Santiago fährt, dass ich bequem den Anschluss nach Porto schaffe und dass es überhaupt kein Problem ist , mein schon gebuchtes Ticket von Santiago nach Porto ohne Aufpreis einen Tag vorzuverlegen. 

Ich buche meine Unterkünfte für die kommenden Tage neu. Freue mich riesig , dass ich zufällig im gleichen Hotel in Finisterre sein werde, wie die beiden Schwestern aus der Nähe von Stuttgart und habe nun nur noch das Problem , wie ich vom Zielort morgen zum Ausgangsort übermorgen kommen werde. Ich schreibe mein Hotel, in dem ich für morgen gebucht habe, auf englisch an (bisher war spanisch überall faste die einzig mögliche Form der Kommunikation ) und hoffe auf ein Wunder. Dieses trifft eine Stunde später ein. Das Hotel stellt den Shuttle sicher. 

Es ist immer noch kalt , aber zumindest regnet es nicht mehr. Zeit für einen Kaffeestopp mit Blick auf die Kathedrale. 

Später schreibe ich Gon, ob wir zusammen essen wollen. Sie ist verabredet mit Emmet , Carmel und May und würde sich freuen, ich komme dazu. 

Wir habe einen herrlich entspannten Abend. Carmel und May laufen morgen auch Richtung Finisterre und fragen , ob wir gemeinsam starten wollen. Das nimmt mir eine große Last , hab ich doch gar keine Ahnung , wo der Weg lang führt und wie die Ausschilderung sein wird. 

Erkenntnis des Tages : Hab Vertrauen, alles fügt sich. 

Ich begleite Gon noch zu ihrem Hotel. Abschied nehmen fällt mir echt schwer , morgen geht es für sie zurück. Wir verabreden uns, uns auf halber Wegstrecke zwischen der holländisch – deutschen Grenze und Leipzig wieder zu treffen. Ich vermisse sie schon jetzt. 

Gegenüber meines Hotel gibt es einen Pub. Ein Gin Tonic beschließt meinen Abend und den heutigen Blog. 

Der Rucksack für morgen ist schon gepackt …  

Vorheriger Beitrag

13. Etappe von Santiago de Compostela nach Negreira 

Nächster Beitrag

12. Etappe von Cruces nach Santiago de Compostela 

  1. weber bärbel

    Liebe yvonne, ich bin eine freundin von christine und raimund. Voller spannung und freude lese ich jeden tag deinen reisebericht. Ich habe das gefühl, als wäre ich dabei auf dem caminio. Ich wollte ihn dieses jahr laufen, aber anscheinend ist die zeit noch nicht reif. Wie s hreibst du so schön, hab vertrauen, alles fügt sich. Ich freue mich auf die berichte über den rest deiner reise. Toll, wie du alles so meisterst. Schreibe das buch auf jeden fall. Eine leserin hast du schon. Schön, wenn wir uns in bexbach mal treffen könnten. Ich wüns he dir noch viele wundervolle begegnungen und eindrücke! Lieber gruss bärbel

Schreibe einen Kommentar

Läuft mit WordPress & Theme erstellt von Anders Norén