Der erste gelbe Pfeil in Richtung Santiago

Nun sitze ich also am Fluss Duoro, trinke einen Weißwein , höre einem portugiesischen Musiker zu und feiere das Leben und die Freiheit – ein glücklicher Moment. 
Mein Flug gestern nach Frankfurt hatte Verspätung und wir landeten auf einer so weit vom Terminal entfernten Außenposition, dass man den Eindruck gewinnen konnte, der Kapitän hat sich verflogen. Und so bat ich inständig darum , dass die Zeit reichen würde , meinen Rucksack von einem Flieger in den nächsten umzuladen. Bang stand ich in Porto am Gepäckband und sah Massen von Rucksäcken an mir vorbeiziehen. Verrückt , am Gate in Frankfurt wäre mir nicht im Traum eingefallen , wie viele Wanderer mit mir im Flieger sitzen. 

Endlich wurde auch mein Rucksack aufs Band geworfen und ich begab mich Richtung Metro. Neben mir liefen zwei junge deutschen Frauen, die gleichfalls einen Rucksack trugen. Sofort kamen wir ins Gespräch. Damit hatte sich meine Befürchtung , ein dreiwöchiges Schweigeretreat zu absolvieren , schnell in Luft aufgelöst. 

Am Bahnsteig kamen zwei weitere deutsche Frauen dazu. Lustigerweise haben wir alle die gleichen Pläne : den Sonntag in Porto genießen , am Montag mit der historischen Straßenbahn bis zum Meer fahren, um dort die Pilgerreise zu beginnen. Wir waren uns sicher , uns auf dem Weg wieder zu begegnen 

In der Innenstadt angekommen , begrüßte uns Porto mit Nieselregen. Mein Studio für die nächsten zwei Nächte war schnell gefunden und ich wurde sehr herzlich von der portugiesischen Inhaberin begrüßt.

Ohne Punkt und Komma zeigte sie mir mit beeindruckender Leidenschaft alle Sehenswürdigkeiten , Tapas Bars und Verkehrsmittel der Stadt auf dem Plan. Gefühlt würde ich dafür eine ganze Woche benötigen. 

Schnell stand ich wieder auf der Straße. Erstes Ziel – wie kann es anders sein – der Lello Buchladen – beschrieben als der schönste der Welt. Aber ehrlich , so schön kann ein Buchladen nicht sein , dass man dafür Eintritt verlangt. In meiner Wahrnehmung ein bisschen zu viel Kommerz. Übrigens wusstet ihr , dass J. K. Rowling als Englischlehrerin in Porto gearbeitet hat und sich hier das viel zitierte Café befindet , in der der erste Harry Potter Roman entstand ? 

Und so ließ ich mich weiter treiben und hatte das großartige Gefühl , angekommen zu sein. Bald schon blitzten erste Sonnenstrahlen durch die Wolken und Porto zeigte sich in seiner ganzen Schönheit. 


Mein Wunsch wurde vom Universum erhört und eine Bar mitten in einem Mini Stadtpark mit Blick auf den 76 Meter hohen Clerigo Tower lud zum Verweilen ein.

Etwas später stellte sich ein kleiner Hunger ein und ich entschied mich für eine bezaubernde kleine Tapasbar.

Noch relativ zeitig am Abend – in Portugal ist es eine Stunde früher als in Deutschland – fiel ich todmüde in mein Bett. 

Die Nacht war eher unruhig. Mal war mir heiß und mal wieder eiskalt. Die Stunden zwischen zwei und vier Uhr sind die schwärzesten der Nacht und ich grübelte über die Richtigkeit meiner Entscheidung nach , mich auf den Weg zu begeben.  

Zeitig am nächsten Morgen stand ich wieder auf der Straße, bereit die Stadt zu entdecken. In einem kleine Straßencafé gab es wirklich guten Kaffee und die besten süßen Teilchen, die ich je gegessen habe. Nach dem Frühstück hat die Sonne die Luft schon so erwärmt, dass Jacke und Langarmshirt in der Tasche verschwinden konnten. 

Nach einer Weile erreichte ich die Kathedrale von Porto, die mich sehr an die Notre Dame in Paris erinnerte. 


In dem Moment , in dem ich eintrat, setzte das imposante Orgelspiel ein und ein Lichtbündel fiel durch ein oberes Fenster – in die Mitte des beeindruckenden Raums. Die Sonntagsmesse war mitten im Gange und ich ein Teil von ihr. Ein magischer Moment. Als ich später wieder heraustrat, sah ich ihn zum ersten Mal – den gelben Pfeil Richtung Compostela. 


Und so wart es beschlossen , hier werde ich morgen meine Pilgerreise beginnen, um den ersten Stempel bitten, denn hier fühlt es sich richtig an und eine Kerze anzünden für den Menschen, der mich auch auf dieser Reise begleitet und einen festen Platz in meinem Herzen hat. 

Ich laufe die Stufen zum Fluss hinunter und kann mich nicht satt sehen an der Farbenprächtgkeit dieser Stadt. 

Am Ufer des Duoro angekommen fällt mein Blick auf die Eisenbrücke, die den Fluss überspannt und die den Einfluss von Gustave Eiffel absolut nicht verleugnen kann – ein liegender Eiffelturm – großartig.


Der Wein ist ausgetrunken , der Musiker hat seinen Auftritt beendet , Zeit weiter zu gehen ….

Die Stahlbrücke hat mich so angelacht, dass ich als Brooklyn Bridge -und Golden Gates – Bezwingerin auch gern über das Oberdeck dieser Brücke laufen möchte. Eine Zahnrad-Bahn bringt mich nach oben. 


Der Blick von der Brücke auf den Fluss und die Ufer ist wunderschön. Ich erinnere mich an meine quirlige Gastgeberin und kaufe mir ein Ticket für die Seilbahn und genieße so den Blick von noch etwas weiter oben. 



Zurück ging es zu Fuß. Die Einkehr in eine empfohlene Tapasbar bekam mir nicht so gut. Selbst schuld – was bestelle ich auch gegrillte Chorizo. Die mir bekannten kleinen Würstchen entpuppten sich als Mega Fleischwurst , die auf dem Tisch vor mir gegrillt wurde. Ich muss noch mal über ein Leben als Vegetarierin nachdenken …. 


Zurück über die untere Ebene der Brücke nahm mich die Musik gefangen. Überall spielten Musiker auf der Straße – von Klangschalen bis zum Rock. Bei einem jungen Musiker und „Heart of Gold“ blieb ich hängen bzw. auf der Straße sitzen. Wanderschuhe aus und Leute gucken -Was für eine herrliche Perspektive. 

Schnell noch herausfinden, von wo morgen die historische Straßenbahn Richtung Meer abfährt und dann wieder zurück. 


Noch einmal am angabegemäss schönsten Buchladen der Welt vorbei und diesmal kann ich der Versuchung nicht widerstehen. Ich investiere die drei Euro Eintritt und betrete eine andere Welt. So muss der Buchladen bei Harry Potter ausgesehen haben. 

Die Stadtkilometer stecken mir in den Knochen und die letzte Woche wohl auch. Und so geh ich zielstrebig zu meinem gestern entdeckten Lieblingsplatz auf der grünen Wiese , sitze auf einer Decke und entfremde ganz ohne Hemmungen meine Laufschuhe …  

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  1. Julia

    Liebe Yvonne, es liest und schaut sich wieder großartig an, was du hier einstellst und ich bin schon jetzt gespannt auf die weitere Reise. Porto klingt ja wirklich toll als Start für deinen Weg. Und ich freue mich schon auf unseren nächsten Abend, bei dem ich dann kein Sushi bestellen, sondern dich in die Geheimnisse von Tofu-Wurst einweihen werde ? Lass es dir gut gehen und einen guten Start für “deinen Weg“! Liebe Grüße, Julia

  2. Ines

    Na, der Auftakt ist im besten Sinne vielversprechend ?

  3. Marion

    Ich habe eben Spargeltoast gegessen und überlegt, was Du so alles auf Deiner Reise zu essen bekommst – der Auftakt mit Tapas und Vino ist ja schon mal vielversprechend 🙂 Ich würde auch die kleinen Pensionen bevorzugen um ein wenig Komfort nach all den Strapazen zu genießen. Am Freitag traf ich einen Mann, der 860 Kilometer auf dem Jakobsweg gegangen ist – es hat ihm so gut gefallen, dass er dreimal einen anderen Weg genommen hat, er meint, er kam bei sich an – das wünsche ich Dir auch! Die Bilder sind toll und ich reise in Gedanken mit – auch mich reizt der Weg, aber eher, um ihn mit meinem Vater als alleine zu gehen. Hab viele schöne Begegnungen!

  4. Katrin Heimpold

    Liebe Yvonne ,es klingt wie immer sehr spannend und mittlerweile bist du ja straff unterwegs.
    Hoffe deinen Füßen geht es gut ..und natürlich dem Rest auch .Liebe Grüße Katrin und Felix ,der sicherlich irgendwo faul rumlungert .

  5. Wahnsinns-Fotos und so lebendig beschriebene Stadt-Impressionen.
    Ich habe das gefühl, Porto könnte einer meine Big-Five-Orte werden ;-))
    Liebe Grüße und weiterhin eine guten Weg, liebe Yvonne,
    das wünscht dir von Herzen
    Sylvia

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