Yvonnes Reisen

What a wonderful world!

Maines Küste und die White Mountains

Samstag Abend – statt des Pub Besuches entscheide ich mich für den Müsliriegel, der noch von der heutigen Wanderung übrig geblieben ist und mache es mir in meinem hübschen Riverside Inn Zimmer gemütlich.  Zeit für mein Reisetagebuch und so kehren meine Gedanken zu Donnerstag Nachmittag zurück.

Nach meiner ausgiebigen Rast in Porthsmouth erreiche ich Kennebunkport, beziehe mein zauberhaftes Zimmer im Maine State Inn und begebe mich auf Erkundungstour.


Es stimmt, das Örtchen ist ausgesprochen hübsch mit seinem Blick auf den Hafen des namengebenden Flüsschens, aber die Redakteure meines Reiseführers haben leider vergessen zu erwähnen, dass es auch ausgesprochen klein ist.

So habe ich innerhalb kurzer Zeit wohl alles entdeckt und bestaunt und beschließe, noch vor Sonnenuntergang zum nahegelegenen Goochs Beach am rauen Atlantik zu laufen.
Kurz bevor ich die Küste erreiche, nimmt mir der erste Anblick auf den Indian Summer, der sich mir auf dieser Reise bietet, fast den Atem.


Den Strand erreiche ich in der Dämmerung und atme tief die salzige Luft ein.


Zurück in den Ort geht es schon im Dunklen. Ich überlege kurz im Städtchen irgendwo einzukehren. Doch bin ich noch so gut satt und auch etwas erschöpft, dass ich in mein Zimmer zurückkehre und den Tag zeitig beende.

Dafür bin ich am nächsten Morgen natürlich zu früh beim Frühstück, denn in dem zauberhaften , aber auch kleinen Salon gibt es dies nur in Tranchen. Ich trolle mich noch einmal , lade das Gepäck ins Auto und öffne das Verdeck, denn es scheint ein herrlicher Sonnentag zu werden.

Zurück im Salon verstehe ich das System. Jeder Gast erhält ein frisches warmes Frühstück serviert. Herrliches Verwöhnprogramm. Mit mir am Tisch sitzt ein Ehepaar aus Florida , die hier für drei Nächte gestrandet sind, da es derzeit keine Rückflüge wegen des Hurricans gibt. Sie nehmen es entspannt, der Familie und ihrem Haus geht es gut und so genießen sie die Extratage Urlaub. Er verkauft Werbung für Yachthäfen in Florida , sie arbeitet bei der UBS (Union Bank of Switzerland mit der Hauptpräsenz in den USA). Beide haben einen jährlichen Urlaubsanspruch auf nur 14 Tagen und daher noch ganz viele Reiseziele auf ihrer Bucket List, die ich schon kenne. Lucy, die Eigentümerin des Inn gesellt sich an unseren Tisch. Vor neun Jahren hat sie das Hotel übernommen und ist hierher gezogen. Seitdem hat sie ihre eigenen Umzugskisten noch nicht ausgepackt…

Nachdenklich steige ich in mein Cabrio und fahre weiter gen Norden zu den White Mountains. Der Himmel ist unfassbar blau und die Sonne strahlt die bunt gefärbten Bäume so stark an, dass sie fast unwirklich erscheinen.

Ich entscheide mich für eine Fahrt auf den Kancamagus Highway. Auf der 43 km lange Route gibt es Dutzende von Plätzen für eine Aussicht auf die unbeschreibliche Landschaft. Der Weg ist das Ziel.
Um dies so richtig genießen zu können, entscheide ich mich für einige Kapitel des Audiobooks von Ernst Tolle ‚Jetzt – die Kraft der Gegenwart „, um mir bewusst zu werden, dass nur der Moment zählt und weder Vergangenheit noch Zukunft im Fokus stehen. Nicht wirklich einfach umzusetzen, doch diese beeindruckende Natur erleichtert mir das Fokussieren und so switche ich bald um auf die mir von meinem Englischlehrer empfohlene Musik von Aaron Copland und genieße den „Appalachian Spring“ in meinem Autoradio. Unzählig oft halte ich an und tauche ein in diesen Indian Summer. Vor allem die tiefe Rotfärbung der Bäume hat es mir angetan. Nie zuvor habe ich dies so gesehen.

Und es ist nicht nur ein Festtagsschmaus für die Augen, auch der Duft ist köstlich. Es riecht, als ob die ganze Kraft im Sommer gereifter Früchte eine Symbiose mit der frischen Kühle eines Herbstmorgens eingegangen ist. Am liebsten würde ich den Duft in Flaschen abfüllen und nach Hause tragen.

Die Kamera liegt griffbereit auf dem Beifahrersitz und bei besonders schönen Anblicken drücke ich – fast wie bei fotografieren mit einer Lomo – einfach spontan auf den Auslöser.

Am Ende des Highways gönne ich mir in Lincoln einen Kaffee und mache mich auf den Weg ins nahe Jackson, wo ich die nächsten drei Tage Quartier nehmen werde
Fand ich es schon in Kennebunkport ruhig, so ist hier eher gar nichts los. Die Gegend ist sehr dünn besiedelt und daher die Auswahl an Restaurants und Geschäften auch eher gering. Aber deswegen kommt man ja auch nicht her. Ich folge nach dem Einchecken im „The Inn at Ellis River“ der Empfehlung der sympathischen Eigentümerin und mache mich durch den dunklen Ort auf den Weg zum „Red Fox“. Und da treffe ich sie alle – Einheimische und Touristen, soviele Gäste, dass jeder einen Pieper erhält, der anschlägt, wenn der reserviere Tisch frei wird. Bei mir wird die Wartezeit mit einer halben Stunde veranschlagt, die ich mir entspannt in der lauten und vollen Bar mit einem Glas Chardonnay vertreibe. Das Warten hat sich gelohnt , mein Tisch befindet sich in einer ruhigen Ecke , das Essen ist ausgesprochen lecker und so reichhaltig, so dass ich froh über den knapp zwei Kilometer langen Rückweg bin.

Am nächsten Morgen wird auch hier im Inn ein leckeres Frühstück am Tisch serviert. Dazu lese ich in dem im Foyer gefundenen Buch „Hikers Guide to New Hampshire“, denn heute soll mein erster Wandertag sein und so entscheide ich mich für den sich ganz in der Nähe befindlichen Red Riges Trail, der spektakuläre Aussichten verspricht.

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Nach meinen Erfahrungen auf meinem vermeintlichen Minitrail – völlig unvorbereitet und mit Handtasche – auf Kauai, bin ich heute deutlich besser präpariert. Aus meinem Koffer zaubere ich Wanderschuhe, Teleskopstöcke, meinen Tagesrucksack und die Wanderkluft vom Jakobsweg. Kein Wunder , dass das Gepäck so schwer ist.
Wasser und Riegel eingepackt – los geht es. Der Parkplatz ist überfüllt, das liegt aber daran, dass sich schon nach knapp einem Kilometer das Diana Bath befindet – eine Touristenattraktion in Form eines gestauten Flusses, der sich hier über verschiedene Treppen ergießt.


Schnell habe ich diesen Part des Weges passiert und bin plötzlich komplett allein. Kein Geräusch außer einigen zwitschernden Vögeln ist mehr zu hören. Und da „Trail“ übersetzt Pfad heißt, kann von einem Wanderweg im klassischen Sinne nicht die Rede sein. Mitten durch den Wald geht es, über Wurzeln und Steine durch Bäche und Unterholz.

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Der Weg ist – wie sollte es anders sein – mit gelben Zeichen markiert und nach jeder Markierung versichere ich mich, dass man auch auf dem Rückweg das Zeichen sehen wird, denn  ohne Markierung wird der Weg unauffindbar sein


Kurz überlege ich – hier ganz allein im Wald – was eigentlich die vielen Straßenschilder auf dem Highway zu bedeuten hatten: Crossing Bears … und dass ich nicht nur für Bären bei einem Überfall leichte Beute wäre – Spiegelreflexkamera , Smartphone , Geldbörse mit Kreditkarte (letzteres ist besonders clever hier mitten im Wald). Doch schnell verschwinden die Gedanken wieder, der beginnende steile und felsige Aufstieg benötigt meine volle Aufmerksamkeit. Ich bin glücklich , meine Wanderstöcke dabei zu haben , um mich abstützen zu können. Leider verschwende ich auch keinen Gedanken mehr daran, den Weg fotografisch festzuhalten. Es zählt nur das jetzt und hier und ich erreiche nach einer Weile einen Felsvorsprung und gönne mir eine Pause, um die Aussicht zu genießen.

Weiter geht es, der Abstieg auf der anderen Seite des Berges ist sicher gemächlicher. So der Wunsch Vater meines Gedankens. Eine Wanderin kommt mir entgegen. Auf der Karte zeigt sie mir , wie lang der Rundweg auf der anderen Seite noch ist und dass ich dies keinesfalls bis zum Einbruch der Dunkelheit schaffen werde.

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Ich drücke ihr gegenüber meine Angst aus, diesen steilen gerölligen Weg abwärts laufen zu müssen. Ihre Antwort darauf ist sehr klar und leider auch sehr wahr – „It’s a Trail. “ sprich – es ist kein Spaziergang und da muss ich jetzt einfach durch. Sie macht es mir vor , setzt ihre Füße mit Bedacht und klettert schnell wie eine Gemse den Berg hinab. Ich folge ihr sehr langsam. An Stellen, wo die Angst überwiegt , geht es immer noch am besten auf dem Hintern abwärts rutschend.

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Endlich hab ich das schlimmste überstanden. Den Weg zurück durch den Wald spaziere ich fast schlafwandlerisch. Über Wurzeln und Steine fast schwebend, sehe ich den Weg vor mir ohne wirklich auf die Zeichen achten zu müssen. Bis es dann doch passiert – das Universum holt mich zurück in die Realität. Ich messe die Länge des Weges an der Zeit, ca. eine halbe Stunde liegt noch vor mir, da ist nach dem letzten Zeichen kein Weg mehr zu erkennen. Ich laufe in eine Richtung , von der ich annehme , das sie stimmen könnte. Zweimal kehre ich um zum letzten Zeichen und versuche den Weg zu erraten. Ohne Erfolg. Ich setze die Wanderung fort in der Hoffnung , dass mich meine Orientierung nicht täuscht. Irgendwann höre ich den Fluss, an dessen Ende sich das Diana Bath befinden muss.
Auf der anderen Seite des Flusses unterhalten  sich  zwei Wanderinnen. Also durchquere auch ich den Fluss , balanciere über Steine – mehr als Nasswerden kann nun nicht mehr passieren und habe endlich meinen Ausgangsort erreicht. Erst jetzt merke ich , wie erschöpft ich bin.

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Schnell fahre ich zu meinem Hotel zurück , wäge ab, ob Dinner im Pub oder von der Wanderung übriggebliebener Müsliriegel – entscheide mich für letzteres.
Zum Mount Washington geht es morgen mit dem Auto. Das ist auch eine Herausforderung – aber eine ganz andere. Kurz erinnere ich mich an einen der vielen Sprüche , denen ich hier in New England ständig begegne- „Unternimm jeden Tag etwas, vor dem du dich ängstigst“. Na heute ist das auf jeden Fall gelungen. Morgen ? Wir werden sehen …

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  1. Du bist ganz schön mutig. Aber Dein Mut wird Dir belohnt, so wie es Dir auch in Zukunft beschienen wird.

  2. Christine

    Du machst mir langsam aber sicher Angst wie mutig du bist ? alles andere wird ebenfalls gut, kann nicht anders sein .

    Ich bin geblendet von den Farben , der Natur

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